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Solarboom von unten

■ Nicht die städtische Förderung, sondern Wyhl und das Engagement der Bürger haben die Stadt Freiburg zur Solarhochburg gemacht. In Initiativen ballt sich die Fachkompetenz

Freiburg genießt den Ruf, Solarhauptstadt zu sein. Hier hat der Weltdachverband für Sonnenenergie seinen Sitz, hier arbeitet das Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme, hier befaßte sich schon das Öko-Institut mit Solarenergie, als die Nutzung der Sonne vielerorts noch als Spinnerei galt.

Die geballte Freiburger Kompetenz auf diesem Gebiet bringt immer neue Projekte hervor. Mit der größten Solarsiedlung der Republik wird Freiburg als externer Aussteller auf der Expo 2000 auftreten, der Fußball-Bundesligist SC Freiburg schmückt sein Tribünendach mit einer großen Solaranlage, auch eine Solarfabrik ist in Freiburg inzwischen angesiedelt. Und nachdem sich mit dem liberalisierten Strommarkt jeder Kunde seinen Stromversorger selbst wählen kann, bietet die Solarstrom AG allen Interessenten bundesweit Sonnenstrom an – auch sie hat ihren Sitz in Freiburg.

Woher kommt das? An der Politik der Stadt liegt es jedenfalls nicht. Keines der großen Projekte wurde von der Stadt angeschoben. Wohlwollend, aber lustlos wird Solarpolitik gemacht. Während bereits einige Dutzend Städte in Deutschland für Solarstrom kostendeckende Vergütung bezahlen, ist mit einem solchen Vorschlag im Freiburger Gemeinderat kein Pfifferling zu gewinnen. Auch die Stadtwerke entwickeln wenig Kreativität, wenn es darum geht, die Solarenergie voranzutreiben. In den städtischen Gremien fehlen engagierte Solarverfechter.

Der Freiburger Solarboom hat andere Väter. Er geht letztlich auf das in den frühen 70er Jahren geplante Atomkraftwerk Wyhl vor den Toren der Stadt zurück. Weil einige Anti-Atom-Kämpfer erkannten, daß Protest auch Alternativen bieten muß, gründeten sie 1977 das Öko-Institut. Aus dem Wyhl-Umfeld ging 1976 auch eine Sonnenenergie- Ausstellung hervor, die heute unter dem Sammelnamen „Öko“ zur größten Umweltmesse für Verbraucher in Europa geworden ist. Auch viele Kleinunternehmen in Südbaden, die sich mit regenerativen Energien beschäftigen, wurden von Wyhl-Gegnern gegründet. Und diese Entwicklung verstärkt sich gleichsam von selbst: Wo sich Fachkompetenz ballt, kommt immer mehr hinzu.

Daß in Freiburg die Solarenergie boomt, mag natürlich auch an der südlichen Lage liegen. Denn Südbadens Klima bietet sich für die Sonnenenergienutzung bestens an; hier produzieren Solaranlagen immer einige Prozent mehr Strom als in vielen anderen Teilen des Landes. 1.064 Kilowattstunden Ertrag meldete für 1997 ein privater Betreiber aus dem Freiburger Umland pro installiertes Kilowatt – ein rekordverdächtiger Wert. In der Bundesrepublik liegt der mittlere Ertrag gut ausgerichteter Anlagen bei 700 bis 900 Kilowattstunden pro Kilowatt installierter Leistung.

Weil die Solarenergie in Freiburg seit Jahren ein blendend gutes Image genießt, identifiziert sich jeder mit der Solarkraft, der sich in dieser Stadt zu Hause fühlt. Die Liebe zur Sonne geht so weit, daß es die Freiburger schwer trifft, wenn andere Städte es plötzlich wagen, besser zu sein. Gebannt starrt man daher jedes Jahr auf die bundesweite Photovoltaikstatistik, an deren Spitze lange Zeit Freiburg stand (pro Kopf gerechnet).

Doch – fatal – 1996 kam die Wende. Als plötzlich andere Städte eine kostendeckende Vergütung für Solarstrom einführten, überflügelten sie Freiburg binnen Monaten. Inzwischen gibt es fast ein Dutzend Städte, die – gerechnet pro Haushalt – wesentlich mehr Solarstrom produzieren.

Als das im vergangenen Frühjahr auch zum Oberbürgermeister vordrang, bekam er kalte Füße – schließlich sind im Oktober Bürgermeisterwahlen. Und weil in Freiburg mit Solarförderung immer Stimmen zu holen sind, trat zum 1. Juli, dreieinhalb Monate vor der Wahl, ein neues Förderprogramm in Kraft. Es ist mit 3.500 Mark Investitionszuschuß je installiertes Kilowatt zwar nicht zu verachten, im nationalen Vergleich aber auch nicht gerade üppig.

Es ist eben ein Programm für Freiburg, das auf erhebliches Privatengagement setzt. So hofft man bei den Stadtwerken FEW, daß sich auch weit unterhalb der kostendeckenden Vergütung viele Solarfreunde finden werden, die jetzt auf Photovoltaik setzen. Bis zum Jahr 2005 soll das Programm einen Leistungszuwachs von 2.500 Kilowatt bringen.

Wenn die Freiburger Bürger mitspielen, könnte die Stadt ein imageträchtiges Ziel erreichen: Sie könnte als erste Stadt Deutschlands die Megawatt-Marke überspringen – Großanlagen wie die Messe in München mit 1.000 Kilowatt einmal ausgenommen. Mit derzeit etwa 400 Kilowatt ist der Weg zum ersten Megawatt zwar noch weit. Und der Weg dorthin wird von den Bürgern noch viel Engagement erfordern. Doch das bringt man in Freiburg, wenn es um die Sonne geht, gerne auf – als „Solarstadt von unten“. Bernward Janzing

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