: Kraftwerke aus dem Westerwald
■ Gerade mittelständische Unternehmer haben den Ausbau der Windenergie in Deutschland vorangetrieben, High-Tech-Produkte in Rekordzeit entwickelt und neue Jobs geschaffen. Zu den Pionieren zählt Joachim Fuhrlän
Die kleine Ortschaft Waigandshain liegt mitten im Westerwald. Schon von weitem kann man die ökologischen Wahrzeichen des Dorfes erkennen. Vier Windräder drehen sich ruhig in luftiger Höhe. „Seit sieben Jahren produzieren sie sauberen Strom“, erklärt Joachim Fuhrländer. Die Augen des gelernten Schmiedes strahlen. Bis Anfang der 80er Jahre hielt sich der Familienbetrieb noch mit Auftragsarbeiten für große Siegerländer Metallfirmen über Wasser. Der Durchbruch zur Öko-Schmiede fand erst unter der Regie von Joachim Fuhrländer statt. 1985 verließen die ersten umwelttechnischen Geräte Waigandshain. Entstaubungsanlagen und Wärmetauscher sorgten für volle Auftragbücher. Ökologische Überlegungen spielten bei der Produktauswahl eine immer größere Rolle. Als Fuhrländer Mitte 1990 das Angebot bekam, Windkraftanlagen zu warten und mit seiner Mannschaft den Service für kleine dänische Mühlen zu übernehmen, brauchte er nicht lange zu überlegen. „Das war für uns die Chance, dem Betrieb ein weiteres Standbein zu verschaffen“, erinnert sich Fuhrländer.
Parallel dazu ließ der gelernte Schlosser erste Windmessungen im Westerwald durchführen. Strom aus Wind, diese Idee faszinierte den damals 32jährigen. Zusammen mit seinem Bruder Jürgen entwarf Joachim Fuhrländer Pläne für den Bau einer eigenen 30-Kilowatt-Pilotanlage. Wochenlang wurde geschweißt, Material getestet, wurden Getriebe und Rotoren ausprobiert. Die ersten beiden 30-Kilowatt-Anlagen wurden auf dem Betriebsgelände in Waigandshain aufgestellt. „Damals hat man uns belächelt“, erinnert sich der Windkraftpionier. Allen Unkenrufen zum Trotz, die Windräder laufen noch immer problemlos und die Energieausbeute kann sich sehen lassen. Viele private Investoren aus dem Westerwald, überwiegend Landwirte, setzten nach Inkrafttreten des Stromeinspeisungsgesetzes auf die Windenergie.
Alles was über den Eigenbedarf hinaus ging wurde ins öffentliche Netz eingespeist. Mit den eigenen Windrädern konnte Fuhrländer allen potentiellen Kunden vorführen, wie einfach elektrischer Strom aus der unerschöpflichen Energiequelle produziert werden kann. Mit steigender Nachfrage wuchs auch das Interesse an größeren Anlagen, die speziell den extremen Anforderungen im Binnenland gewachsen sind. „Gerade Landwirte erwarten von ihren Maschinen, daß sie laufen und laufen, robust und zuverlässig sind“, sagt Fuhrländer. Und genau nach diesen Anforderungen wurde schon 1992 die erste 100-kW-Anlage entwickelt und gebaut. Um eine bessere Wirtschaftlichkeit zu erzielen, mußten die Mühlen auch höher werden. Konsequenz für die ehemalige Dorfschmiede: Es mußte angebaut werden. 1992 liefen die Geschäfte so gut, daß die Belegschaft von drei auf zehn Mitarbeiter stieg – gleichzeitig der Umsatz von einer auf rund fünf Millionen Mark. Fuhrländer entwickelte sich zum größten Arbeitgeber und Steuerzahler in der Region. Mit Blick auf die Produktpalette der großen Konkurrenten wie Enercon, Vestas, Tacke, Micon und Nordex war für Joachim Fuhrländer klar, der Trend würde in Richtung Megawatt-Klasse gehen.
1994 wurde noch im kleinen Stil die 250-kW-Anlage im erweiterten Anbau der ehemaligen Schmiede montiert. Heute gleicht die dritte, 40 Meter lange neugebaute Halle eher einem Werftbetrieb im Binnenland, der auch schon wieder aus allen Nähten platzt. Tonnenschwere Gerüste werden zusammengeschweißt, riesige Getriebe montiert und dutzende Rotoren warten auf ihre Auslieferung. „Der Trend geht zu immer größeren Anlagen“, meint Fuhrländer. Und als Experte für das Binnenland kann der Anlagenbauer aus dem Westerwald gut mithalten.
Im April 1997 wurden nach einjähriger Entwicklungsphase zwei Prototypen der 800-kW-Klasse aufgestellt. Und seit Juni dieses Jahres produziert eine 1.000er Windmühle am Binnenland-Standort Kirburg im Westerwald Windstrom. Innerhalb von acht Jahren hat der ehemalige Schmied den Sprung in die Megawatt- Klasse geschafft. Mittlerweile ist die Stammbelegschaft auf 30 angewachsen und der Umsatz wird in diesem Jahr noch die Rekordmarke von 30 Millionen Mark überschreiten.
Fuhrländer ist nur sauer auf die Bonner Politik und die großen Stromkonzerne. Das ewige Hin und Her beim Stromeinspeisungsgesetz verunsichere die Investoren. „Wir brauchen einen verläßlichen Rahmen, damit wir mit unseren Produkten auch international wettbewerbsfähig bleiben“, meint der junge Unternehmer. Im Export sieht Fuhrländer noch ein riesiges Wachstumspotential. Gerade in Schwellenstaaten könnte die Windenergie zur dezentralen Energieversorgung von Dörfern und Siedlungen noch einen großen Beitrag leisten. Seit dem Frühjahr laufen erste Projekte in Vietnam, Kenia und Indien an. Doch aus eigener Kraft können kleine mittelständische Hersteller umfangreiche Exportgeschäfte kaum abwickeln. Dazu fehlt ihnen in der Regel das finanzielle Polster, sind doch nahezu alle Überschüsse wieder in die Entwicklung neuer High-Tech- Mühlen geflossen. Deshalb kann es auch nicht überraschen, daß Fuhrländer sich für sein Unternehmen eine stärkere politische Rückendeckung bei der Erschließung der ausländischen Märkte erhofft. „Wenn wir Windkraftanlagenbauer hierzulande so unterstützt würden wie die dänische Konkurrenz, dann hätten wir überhaupt keine Schwierigkeiten, unsere Produkte weltweit noch erfolgreicher zu vermarkten“, meint der Windkraftpionier.
Fuhrländer hat mit seiner Mühlenfabrikation die Skeptiker im Westerwald, die ihn noch vor acht Jahren für einen „Öko-Spinner“ hielten, in die Schranken verwiesen. Die Sache mit den Windrädern hat sich bislang für die strukturschwache Region gelohnt. Kein Wunder, daß die Gemeinde Waigandshain für ihren einzigen Industriebetrieb neue Gewerbeflächen ausgewiesen hat. Schließlich geht es nicht nur um saubere Energie, sondern auch und vor allem um die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Michael Franken
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