Radtour spaltet Atomindustrie

■ Die Stromkonzerne unterstützen AKW-Betriebsräte kaum bei ihrer Werbefahrt von Hannover nach Berlin. PreussenElektra: „Ungünstiger Zeitpunkt“ kurz vor der Bundestagswahl

Berlin (taz) – Radfahren macht einen guten Eindruck. Es zeugt von Gesundheit und jugendlichem Elan. Den Effekt wolle man für die „Sympathiewerbung“ nutzen, heißt es im Konzept der Düsseldorfer Agentur, die sich bezeichnenderweise „Crisis Management Consult“ nennt. Und so wird die umweltfreundliche Fortbewegung vom 17. bis zum 20. September einem unökologischen Ziel dienen: 500 Beschäftigte der Atomindustrie radeln von Hannover über Magdeburg nach Berlin, um kurz vor der Bundestagswahl für „Vertrauen“ in die von der Abwicklung bedrohten Kraftwerke zu werben. Die Idee stammt von Gerhard Marx, Betriebsrat des gerichtlich stillgelegten Atomkraftwerks Mühlheim-Kärlich, das zum Leidwesen der Beschäftigten und des RWE-Konzerns nur wenige Tage Strom produzierte. Marx hat den angemeldeten Atomarbeitern – viele kommen aus Mühlheim-Kärlich – bereits einen Trainingsplan zugeschickt, damit sie auf den 165 Kilometern von Hannover nach Magdeburg nicht aus den Sätteln kippen.

Zusammen mit Kollegen aus Biblis und Philippsburg bat Marx die Aufsichtsräte der neun Energiekonzerne, die den bundesdeutschen Stromverbund bilden, um Unterstützung. Doch deren Begeisterung hielt sich sehr in Grenzen.

Die Branche ist gespalten. PreussenElektra etwa beteiligt sich überhaupt nicht, obwohl die Auftaktkundgebung auf Hannovers Opernplatz stattfindet. „Der Zeitpunkt kurz vor der Wahl ist ungünstig“, begründet Sprecherin Petra Uhlmann. Strikt widerspricht sie aber der Vermutung, PreussenElektra wolle Streit mit Aufsichtsrat und SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder vermeiden, der mitunter laut über die Abschaltung von AKWs nachdenkt.

Der Vorsitzende des Preussen- Gesamtbetriebsrats, Rainer Dücker, hält es für überflüssig, im Leibchen (Aufschrift: „Kernenergie jetzt“) über die Straße zu radeln. Das würde nur lästige Auseinandersetzungen mit AKW-Gegnern provozieren. Im AKW Grohnde hat der Betriebsrat das Demokonzept gleich ganz ignoriert. Nur wenig Resonanz kommt zudem aus der ostdeutschen Veag und der Berliner Bewag.

Die Radtour erhält weniger Unterstützung als erhofft. „Wir betteln noch um Spenden“, beklagt Organisator Marx. Satte 500.000 Mark waren für ein „rollendes Infozentrum“ und allerlei Werbeschnickschnack eingeplant. Doch keiner der Energiekonzerne wollte so kurz vor dem möglichen Regierungswechsel Geld spendieren. Selbst RWE beteiligt sich nur indirekt: Über die Essener Pressestelle dürfen die Radler ihre Erklärung verschicken. Hannes Koch