: Gerold Janssen vor Gericht
■ Stadtgemeinde verklagt Umweltschützer auf Schadenersatz
„Ich weiß, daß er ein überzeugter Umweltschützer ist, ein richtiger Idealist, der seine ganze Lebenskraft einsetzt, damit wir nicht einen Fehler nach dem anderen machen, beim Planen und Bebauen ...“, so schön über Gerold Janssen konnte unser Bürgermeister Henning Scherf kürzlich reden, als der seinen 75. Geburtstag feierte. Die Worte gingen übers Radio in alle Welt.
Gleichzeitig aber klagt Bremen gegen Gerold Janssen wegen dessen idealistischer Bemühungen, die Bebauung der alten „Uni-Wildnis“ zu verhindern. „Es ging um die Vernichtung ökologisch wertvoller Biotope, wir haben eine wunderbare, kunstvolle Aktion gemacht“, sagt Janssen: Vögel, Pflanzen des „Uni-Wildnis“-Gebietes. Stellvertretend für die, die da mit wasserlöslicher Farbe malten, wurde Janssen 1995 zu 200 Mark Geldstrafe verurteilt – der Richter anerkannte dabei bei dem Umweltschützer „ehrenwerte Motive“. Gleichzeitig hatte die Stadt eine unnötige und viel zu teure Sandstrahl-Säuberungs-Aktion veranlaßt und versucht, mit Gutachtern zu „beweisen“, daß es billiger nicht möglich gewesen wäre, die Wahrheit auszulöschen. In dem Zivilverfahren geht es heute (ab 9 Uhr, Raum 136, Amtsgericht) darum, daß die Stadt dem Umweltschützer diese Kosten aufbürden will.
Siemens baut derweil, aber nur auf einem Teil der damals plattgemachten Fläche, denn bei dem Umzug geht es vor allem eine Rationalisierung der Verwaltungsabteilungen. Der Konzern bekam das Grundstück im Technologiepark zu einem Quadratmeterpreis unter 100 Mark, also hochsubventioniert, die Stadt nahm Siemens gleichzeitig die Alt-Immobilie am Bahnhof für 19 Millionen ab. Aus dem Verkaufspreis kann Siemens über die Hälfte des Neubaus bezahlen, während die Stadt das alte Hochhaus irgendwie nutzen muß, da es technisch überholt und unverkäuflich ist.
Für Janssen ist der Fall Siemens ein Beispiel dafür, wo die Stadt – mit den Worten Henning Scherfs – „einen Fehler nach dem anderen“ gemacht hat. Scherfs schöne Worte haben aber nicht dazu beigetragen, daß die Stadt ihre Klage zurücknimmt. Janssen hatte 1995 wegen der Haltung der Stadt das Bundesverdienstkreuz zurückgegeben, das ihm 1993 auf Vorschlag des Senats für sein kontinuierliches und unorthodoxes Umwelt-Engagement verliehen worden war.
„Laßt mich nicht im Stich!“ Mit diesen Worten ruft der 75jährige Umweltschützer zum Besuch seines Prozesses auf. K.W.
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