Der Hurensohn hat es fast geschafft

■ Ein Homerun fehlt Mark McGwire noch, um Babe Ruth abzulösen

Berlin (taz) – So geht die Legende. Er randalierte in der Umkleidekabine. „Sechzig, zählt sie, sechzig“, schrie der Mann, den alle nur The Babe nannten, „das soll erst mal ein anderer Hurensohn schaffen.“ Man schrieb den 30. September 1927, als George Hermann Ruth glaubte, sich für die Ewigkeit in den Rekordbüchern verewigt zu haben.

Tatsächlich hat sein Rekord eigentlich noch heute Bestand, 50 Jahre nach seinem Tod. Zwar schlug Roger Maris 1961 sogar 61 Homeruns, aber da hatte die Baseball-Saison schon 162 Spiele. Ruth mußte nur 154mal aufs Feld.

„Unglaublich“ müsse sich Ruth damals gefühlt haben, gerade so, wie er selbst jetzt, stellte Mark McGwire fest, als er in der Nacht zu Sonntag mit der größten Sportikone der USA gleichgezogen hatte. Der Third Baseman der St. Louis Cardinals donnerte gleich im ersten Inning des Spiels gegen Cincinnati einen Pitch von Dennis Reyes in die Zuschauerränge. 21 Spiele hat McGwire (34) nun Zeit, um einen neuen Rekord aufzustellen. Noch 13, um Ruth über dieselbe Anzahl von Spielen zu übertreffen und damit auch die Traditionalisten zufriedenzustellen, die Maris' Rekord nie anerkannt haben. McGwire kann die Fragen zu dem Thema nicht mehr hören: „Es ist nicht mein Fehler, daß ich in einer anderen Zeit geboren bin.“

Nicht nur Konkurrent Sammy Sosa von den Chicago Cubs, der selbst Nummer 58 gegen die Pittsburgh Pirates erzielte, ist fest davon überzeugt, daß McGwire den Rekord brechen wird. Das Bieten der Memorabilia-Sammler um den Ball hat bereits begonnen. Ein erstes offizielles Angebot an den Fan, der demnächst den 62. Homerun von McGwire fängt, kommt von einer Ladenkette. Denen ist ein Baseball, den sie zuerst zu Werbezwecken einsetzen und dann der Hall of Fame in Cooperstown stiften wollen, 250.000 Dollar wert. So ändern sich die Zeiten: Maris' Nummer 61 brachte dem glücklichen Fänger gerade mal 5.000 Dollar. Thomas Winkler