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Selbst Tony Cascarino vermasselt es nicht mehr

■ „Das löst eine Welle des Schocks in Europa aus“: Nach dem 2:0-Erfolg eines dramatisch verjüngten Teams gegen den WM-Dritten Kroatien droht nun in Irland unkontrollierte Euphorie

Dublin (taz) – „War es die Anwesenheit von Roy Keane oder die Abwesenheit von Šuker und Boksic“, grübelte Irlands Fußball-Nationaltrainer Mick McCarthy am Samstag, „wer vermag das zu sagen?“ Sein Team hatte gerade den WM-Dritten Kroatien mit 2:0 im ersten Qualifikationsspiel für die Europameisterschaft 2000 besiegt, und 34.000 Zuschauer im ausverkauften Rugbystadion an der Dubliner Lansdowne Road waren aus dem Häuschen.

McCarthy, ehemaliger Kapitän der so erfolgreichen irischen Mannschaft unter Jack Charlton, stand schon vor zwei Jahren vor dem Berti-Problem: Das von Charlton geerbte Team war längst jenseits der Pensionsgrenze, ein Neuaufbau unumgänglich. McCarthy kann aus dem vollen schöpfen: Die Iren sind in diesem Jahr Europameister sowohl bei der U 16 als auch bei der U 18 geworden. Es war das erste Mal, das ein Land das Doppel schaffte.

Einer aus der U 18, Robbie Keane von den Wolverhampton Wanderers, spielte auch am Samstag gegen Kroatien. Mit seinen Sturmpartnern Damien Duff und Keith O'Neill, beide auch nicht viel älter, sollte er die kroatische Hintermannschaft durcheinanderwirbeln. Schon nach acht Minuten war der schöne Plan dahin: O'Neill, der nach langer Verletzungspause wieder dabei war, bekam einen Tritt gegen das Schienbein und mußte ausgewechselt werden – gegen Tony Cascarino, der das Durchschnittsalter schlagartig in die Höhe trieb. Der zahnlose 36jährige verbreitet zwar noch durch sein Aussehen Schrecken im gegnerischen Strafraum, ansonsten hätte er sich auch als Maskottchen ins Tor legen können. Zur Halbzeit wurde auch Duff ausgewechselt, weil er nach seiner Lendenoperation im Sommer schon nach einer Viertelstunde fix und fertig war.

Da stand es bereits 2:0. Nach vier Minuten hatte der protugiesische Schiedsrichter Pereira einen großzügigen Elfmeter verhängt, den Denis Irwin verwandelte, elf Minuten später köpfte Mannschaftskapitän Roy Keane den Ball, der zuvor wie eine Flipperkugel im kroatischen Strafraum herumgeirrt war, ins Netz. Auch danach hatten die Iren die besseren Chancen, und als in der Schlußphase alle einen Großangriff der Kroaten erwarteten, machten sie sich selbst einen Strich durch die Rechnung: Stanic säbelte Steve Staunton äußerst ungeschickt um und durfte duschen gehen. Staunton hatte sich kaum aufgerappelt, als er von Jurcic zu Boden geschickt wurde. Pereira hatte die rote Karte noch in der Hand.

Damit war das Spiel gelaufen, gegen neun Kroaten schoben die Iren den Ball in aller Ruhe hin und her, bis Phil Babb mit seinen gewohnt haarsträubenden Fehlern die eigene Abwehr in helle Aufregung versetzte. Doch ohne die verletzten Boksic und Šuker, den WM-Torschützenkönig, konnten die Kroaten mit den Gastgeschenken nichts anfangen. Vor allem Ersatzmann Igor Pamic von Hansa Rostock versiebte kläglich.

Wie weit McCarthy mit seinem Neuaufbau ist, läßt sich nicht endgültig feststellen, dafür waren die Kroaten zu schwach. Natürlich kam es dennoch zu unkontrollierter Euphorie. „Das Ergebnis löst eine Welle des Schocks in Europa aus“, fabulierte McCarthys früherer Mannschaftskollege Niall Quinn gestern und fügte hämisch hinzu: „Besonders wenn man es mit den lahmen Versuchen von Hoddle und seiner englischen Mannschaft in Schweden vergleicht, wo ihre Hoffnungen wie eine Seifenblase zerplatzten.“

Für Kroatiens Trainer Miroslav Blazevic, der „so ein Publikum wie in Dublin in meiner 30jährigen Karriere noch nicht erlebt“ hatte, ist McCarthys Team nun Favorit für den Gruppensieg. Da kennt er die Iren nicht: In der Vergangenheit haben sie sich gegen Teams wie Liechtenstein und Island alles vermasselt. Diesmal ist Malta in der Gruppe. Ralf Sotscheck

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