Lidokino
: Der schnellste D-Day aller Zeiten

■ Wie ich den Krieg gewann: Chargieren bei Spielberg, Belehren bei Spike Lee

Denzel Washington ist einfach ein toller Schauspieler. Von „Apocalypse Now“ angefangen bis zu Spike Lees Venedig-Beitrag „He Got Game“ verwandelt er jede Rolle in das Porträt einer Person, die definitiv interessiert. Selbst Lees hyperdidaktischer Sport-Ruhm-und-Versuchung- Film, in dem er den undankbaren Part des wegen Totschlags an seiner Frau zu fünfzehn Jahren Haft verurteilten Vaters eines neuen Michael Jordan hat, bleibt durch ihn einigermaßen in Erinnerung. Richtig schlecht ist der Film nicht; nur zu zielgenau auf ein schwarzes männliches Publikum hin geschrieben, das durch ihn begreifen soll, daß ein Ferrari keineswegs das Nonplusultra, sondern ein Verhängnis ist. (Hätte dazu nicht eine Nachfrage bei dem anderen Michael, dem Schumacher gereicht?)

Wo Matt Damon spielt, trifft man dagegen auf ein großes schwarzes Loch. Da er bei Steven Spielberg sein cheesetriefendes Jungenslächeln kaum in Anschlag bringen kann, chargiert er als Private Ryan eben, so gut er kann. Zum Beispiel als er die Nachricht vom Tod seiner drei Brüder erhält. Ist aber besser als in „Rounders“ (John Dahl), wo er die Hauptrolle und, trotz aller Pokerprobleme, noch viel zuviel Anlaß zum Grinsen hat.

Doch eigentlich will ich ja nur sagen, daß ich die berühmte Eingangssequenz von „Searching Private Ryan“ doch noch gesehen habe. Ich habe sogar den ganzen Film gesehen. In Venedig, in einem Open Air Kino fürs gemeine Volk. Genauer in der Arena di Campo San Polo, auf einem dieser Plätze, die wie das Gelbe vom Ei inmitten des umgebenden Straßengewirrs liegen.

Spielberg läßt gleich zu Beginn die Landung am Omaha Beach ohne jeden Szenenwechsel und damit Zeitsprung durchlaufen, die ganze Schlächterei bis zur Einnahme der deutschen Bunkerstellungen. Leider schaut man danach auf die Uhr und denkt: Nur zwanzig Minuten?! Hey, Mann, das war nun wirklich der schnellste D-Day, der schnellste gewonnene Zweite Weltkrieg aller Zeiten! So ist das eben, wenn beim vermeintlich größten Realismus doch nur ein hanebüchener Videoclip rauskommt.

Apropos Videoclip: Als solcher wurde „Lola rennt“ in der italienischen Presse geschmäht. Der Osservatore Romano meinte gar, Tykwers Film gehöre nicht in den Wettbewerb. Weil eben Clip und nicht „großer Film“. Es wird gemunkelt, daß Felice Laudadios Ankündigung, mit Tykwer käme der Durchbruch des deutschen Films, „Lola“ just den Todesstoß versetzte. Tanzten Tom Tykwer und Franka Potente auf der „Lola“-Party deshalb zum eigenen „I wish I were“-Lied? „I wish I were“ ... zum Beispiel „elsewhere“?

Das Wichtigste – ausnahmsweise – zum Schluß. Melanie Griffith (dabei in Woody Allens „Celebrity“ und Larry Clarks „Another Day in Paradise“) und ich teilen uns dieselbe Stylistin, zumindest in Venedig. Dank dem Wella-Haarstudio hinter dem Festivalgebäude, wo man auf Einladung (die man auch selbst arrangieren kann), ganz umsonst die Haare gerichtet bekommt. Muß doch mal gesagt werden. Als die Dame von i parrucchieri trolese in San Polo, die mir gerade die Haare schnitt, hörte, daß sie morgen, um neun Uhr früh, bei einer Kundin erscheinen soll, wurde sie ganz blaß – und ich hellhörig. Zu wissen, daß Frau Griffith im Bauer- Grunwald abgestiegen ist, kostete mich also nicht mehr als zwanzig Zentimeter meiner Haare. Ist doch ein Deal. Vor allem, nachdem ich nun finde, daß ich verdammt nach Hollywood aussehe. – Ein bißchen kurz sind die Haare allerdings schon. Brigitte Werneburg