: Smoke on the Water
Auszubildende des Arbeiter-Samariter-Bundes bergen Verletzte bei einem Großeinsatz. Den Sanitätern über die Schulter schaute ■ Matthias Berg
Die verschlafene Idylle des Harburger Hafens wird plötzlich durch eine Explosion zerrissen. Wenig später trifft die Feuerwehr ein und schickt den mit Sauerstoffmasken ausgestatteten Vortrupp auf die qualmende Fähre. Erst als klar ist, daß im Maschinenraum nichts mehr explodieren kann, dürfen die Rettungssanitäter an Bord.
„Hier bin ich, hier oben!“ Erst nach etwa 15 Minuten hört ein Feuerwehrmann die Rufe des auf dem Oberdeck frierenden und unter Schock stehenden Verletzten. Hier befinden sich außerdem in einer dunklen Ecke und im verqualmten Niedergang schreiende Personen. Auch Kevin liegt hier, halb unter einen Kühlschrank geschleudert und verdeckt von Heizkörpern, die bei der Explosion herumgeflogen sind. Er stöhnt und wimmert nur leise und kann nicht mehr schreien. Aus den Wunden an Kopf und Hals läuft das Blut.
Nur wer genauer hinsah, bemerkte, daß alles nur Schminke war. Denn die Auszubildenden der Berufsschule für Rettungsassistenten übten auf dem engen Schiff und den rutschigen Planken einen Großeinsatz, organisiert vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB). Die Aufgabe war schwierig und sollte dem Nachwuchs seine Grenzen aufzeigen, denn die Verletzten, gespielt von Jugendlichen des ASB, waren keine einfachen Fälle.
Kevin wird nach 25 Minuten endlich gefunden und behandelt. „Der Puls ist unregelmäßig, der Blutdruck sinkt.“ Mit diesen Worten ersetzt der Ausbildungsleiter des ASB, Jörg Vieweg, die Überwachungsgeräte, an die Kevin im Ernstfall angeschlossen worden wäre. Der regungslose Schwerverletzte verlangt von den Rettungskräften viel: Erst mit Hilfe einer hydraulischen Spreize kann die Feuerwehr ihn befreien, doch muß er noch von Bord gebracht werden. Ein Feuerwehrmann bringt es auf den Punkt: „Scheiße, auf diesem Kahn ist alles viel zu eng!“ Nach 90 Minuten ist Kevin jedoch endlich sicher im Intensivstations-Zelt des DRK angekommen und damit alle Personen von Bord geborgen.
Kurz zuvor hatte der Suchtrupp im völlig verqualmten Maschinenraum noch jemanden gefunden. Zwar wurde der Unglückliche erst nach etwa 75 Minuten entdeckt, doch schnell wurde diagnostiziert: „Kein Puls, keine Atmung: Der ist tot!“ Der Abtransport der Holzpuppe wurde dennoch sehr sorgfältig durchgeführt.
Auch mit den anderen Leistungen der Rettungssanitäter und der Koordination mit der Freiwilligen Feuerwehr war der Hauptorganisator Jörg Vieweg sehr zufrieden. Und sogar Kevin konnte später wieder lachen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen