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Kein Eintrittsgeld beim Facharzt

Ärzte lehnen Forderung nach Gebühr für Hausbesuche und Facharztbesuche ohne Überweisung breit ab. Kein Beweis für angeblichen „Chiptourismus“  ■ Von Robin Alexander

Berlin (taz) – Eine Gebühr von 100 Mark sollten Kassenpatienten in Zukunft zahlen, wenn sie ohne Überweisung oder ausdrücklichen Rat ihres Hausarztes einen Facharzt aufsuchen. Wer einen ärztlichen Hausbesuch in Anspruch nimmt, sollte 30 Mark „Eintrittsgeld“ zahlen. Das sind Vorstellungen von Peter-Hansen Volkmann, Landeschef des Bundes der niedergelassenen Ärzte (NAV-Virchowbund) in Schleswig-Holstein. Gestern in die Diskussion gebracht von Deutschlands größter Zeitung auf Seite eins. Solche Gebühren werde es in Deutschland nicht geben, erklärte Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) kategorisch: „Ich trete nach wie vor für eine uneingeschränkte, freie Arztwahl ein.“

Die Gebühren von 30 beziehungsweise 100 Mark seien „als Nachdenkpauschale gedacht“, erklärte Peter-Hansen Volkmann gegenüber der taz. „Der Patient soll überlegen: Ist dieser Gang zum Facharzt wirklich nötig?“ Seit der Einführung der Chipkarte für Kassenpatienten habe sich ein „regelrechter Chipkartentourismus“ entwickelt.

Kranke würden sich immer öfter unnötig an einen Spezialisten wenden, statt vorher mit ihrem Hausarzt Rücksprache gehalten zu haben. Daß die von ihm vorgeschlagenen Gebühren nur Kassenpatienten belasten würden, stört Volkmann nicht. „Privatpatienten“, so argumentiert er, „gehen in der Regel viel überlegter vor, da sie meistens eine Selbstbeteiligung zu tragen haben.“

AOK-Sprecher Udo Barske nannte die Forderungen des schleswig-holsteinischen Ärzteverbandes gestern eine „absurde Strafsteuer“. Es gebe es immer mehr Fachärzte und immer weniger Hausärzte. Dementsprechend würden sich Arztbesuche anders verteilen. Die Behauptung, die Chipkarte verleite zu mehr Facharztbesuchen, sei unbewiesen.

Selbst der Bundesverband der niedergelassenen Ärzte in Köln bestätigte gestern, man habe keine konkreten Erkenntnisse, daß die Chipkarte zum verstärkten Facharztbesuch verleite. Den Vorstoß der Kollegen aus Schleswig-Holstein via Bild-Zeitung möchte man in Köln nicht mittragen. „Wir werden das Thema erst in zwei Monaten auf unser Bundeshauptversammlung diskutieren“, sagte eine Sprecherin. Der Verband wird sich auch dann kaum für Gebühren einsetzten. Die Hälfte seiner Mitglieder sind Fachärzte.

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