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Entgleisungen unter Freunden

Wenn Theo Waigel fernsieht: Wie der CSU-Chef einmal beim Sender Arte freundlichere Behandlung seiner Partei anmahnte – und von dort sogleich eilfertige Briefe zurückbekam  ■ Von Georg Löwisch

Ganze 70 Sekunden dauerte der Bericht über den kleinen CSU- Parteitag, den der Kulturkanal Arte sendete. Gerade 90.000 Zuschauer sahen die Nachrichtensendung „8 1/2“ an diesem Abend des 22. Mai. Das waren eben mal 0,4 Prozent der Fernsehgemeinde. Allein Theo Waigel war darunter – oder einer von seinen Zuträgern.

Der CSU-Chef schrieb gleich einen bösen Brief: „Wie Sie wissen, zähle ich mich zu den Unterstützern von Arte“, begann er sein Schreiben an die Chefs von ARD und ZDF, die Arte mit französischen Partnern betreiben. Der Nachrichtenbeitrag aber „veranlaßt mich, Ihnen mein Befremden mitzuteilen“. Da werde seine Partei ja „durch verzerrte Wort- und Bildwahl in die Nähe des Rechtsextremismus gerückt“. „Derartige Entgleisungen“, polterte er weiter, werde er nicht hinnehmen: „Richtigstellung“! „Öffentliche Entschuldigung“!

Und Theo Waigel meckerte nicht vergeblich: Schließlich finden empfindliche Politiker immer noch schnell Verständnis bei eilfertigen Senderverantwortlichen, die den Mächtigen eigentlich auf die Finger gucken sollten. Dabei hatten die Arte-Nachrichten gar nichts Besonderes behauptet. Nachdem auf dem CSU-Parteitag der Münchner CSU-Chef Peter Gauweiler die „Grenze der Aufnahmefähigkeit“ für Ausländer aufgezeigt hatte („Deutschland und Bayern sind kein Einwanderungsland“), waren sich die meisten Reporter einig: „Der Mann für die schärfere Gangart“ titelte die konservative Welt auf Seite 3 über Gauweiler. Und die Deutsche Presseagentur, für viele die Ausgeburt der Objektivität, formulierte: „,Schwarzer Peter‘ ist Trumpf: CSU setzt auf rechte Themen“.

Kaum anders hatte auch Arte berichtet: „Mit lokal- und nationalpatriotischen Tönen hat die CSU in Ingolstadt ihren kleinen Parteitag untermalt.“ Das erklärte Arte- Autor Martin Meggle mit einer nicht ganz neuen These – die Partei fürchte, Wähler an die Rechtsextremen zu verlieren. Und über Gauweiler: „Der für seine ultrarechten Parolen und Korruptionsaffären bekannte CSU-Vorsitzende Münchens durfte wieder ganz vorne mitmischen.“

„Mit bestem Dank“ quittierte der ARD-Vorsitzende Udo Reiter Waigels Beschwerde. Aber beim Dank beließ er es auch und schickte den Meckerbrief an die Arte-Geschäftsführung weiter, ohne sie zu kommentieren. Viel mehr Mühe machte sich Arte-Geschäftsführer Klaus Wenger mit der Antwort für Waigel. Es sei ihm auch aufgefallen, pflichtete er dem CSU-Mann bei, daß in der deutschen Fassung des Berichts „die Grenzen zwischen Information und – an Polemik heranreichender – Kommentierung verwischt sind“. Wie zum Trost versicherte Wenger, in der französischen Version sei „in sachlicherem Ton“ berichtet worden. Seinen netten Ton begründete Wenger noch einmal: Er hoffe, den CSU-Boß „trotz dieser Irritation weiterhin zu unseren Freunden zählen zu können“.

Damit nicht genug. Noch beflissener reagierte Arte-Chefredakteur Georg Schmolz in einem Brief an das ZDF: In bezug auf die „angesprochenen Unsachlickeiten“ werde Arte „die Rolle und Bedeutung der CSU für das politische Leben in der Bundesrepublik“ angemessen darstellen. In einem internen Arte-Protokoll wurde der ständige Mitarbeiter Meggle, der auch für das FAZ-Magazin und die Süddeutsche Zeitung schreibt, unversehens als Praktikant bezeichnet. Das habe ihm jedenfalls sein Redaktionsleiter berichtet, sagt Meggle. Jetzt hat er die Zusammenarbeit mit Arte aufgekündigt.

Viele Briefwechsel wie diese lagern in den Archiven des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, das Parteipolitiker von jeher wie ihr Eigentum behandeln. Doch in letzter Zeit hatte man den Eindruck, der Quotendruck mindere die Dienstbarkeit der Senderverantwortlichen. Noch in den 70er und 80er Jahren war aus keinem Einstellungsgespräch die heute immerhin nicht mehr regelmäßig gestellte Frage „In welcher Partei sind Sie?“ wegzudenken. Gegenseitig bezichtigten sich Parteimitglieder ihrer Parteiabhängigkeit. ZDF-Journalist Klaus Bresser (SPD) befand da über den BR-Journalisten Günther von Lojewski (CSU), seine Unterwürfigkeit sei in Interviews mit Unionsgrößen schon „an der Körperhaltung“ erkennbar.

Inzwischen ist es ruhiger geworden. Da setzt NDR-Intendant und Sozialdemokrat Jobst Plog dem SPD-Regierungschef Gerhard Schröder in Hannover einen konservativen Landesfunkhauschef vor die Nase. Und Udo Reiter, der noch vor Jahren den BR-Familienfunk auf CSU-Linie gebracht hatte, überkam plötzlich Lust, bei Grünen-Partys aufzukreuzen.

Doch während Reiter um die Grüne Gunda Röstel herumscharwenzelt, kann er sich darauf verlassen, daß die unteren Ränge die Parteiarbeit verrichten. Arte- Mann Schmolz beispielsweise wurde von Reiter einst auf Drängen der CDU beim deutsch-französischen Sender untergebracht. Das schrieb jedenfalls einst der Fachdienst epd Medien, worauf Schmolz freilich heftig widersprach. Nichtsdestotrotz kann sich die Union keinen besseren Freund wünschen. Schmolz in seinem Brief: „Arte und insbesondere die Chefredaktion sind sich bewußt, daß die CSU sich als demokratische Partei große Verdienste um die Integration erworben hat.“ Und versprach: „Dies gilt nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Gegenwart.“

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