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Nachwuchs für die Blaumeiers

■ In Oldenburg gibt es jetzt den „Blauschimmel“ / Das Kunst- und Psychiatrieprojekt hat regen Zulauf – nur in der Kasse, da fehlen noch so einige Märker

Walter Koch kämpft zwar gerade mit „schlaflosen Nächten“. Trotzdem ist er „total begeistert“ – von seiner eigenen Idee: Das Bremer Kunst- und Psychiatrieprojekt „Blaumeier“ endlich auch in einer anderen Stadt auf die Beine zu stellen. „Blaumeier ist bundesweit bekannt. Alle finden es klasse – aber keiner macht es nach“, sagt der Mitbegründer der Bremer Blaumeiers. Grund genug, jetzt in Oldenburg den Anfang zu wagen: Seit fast vier Monaten ist dort das von ihm initiierte Projekt „Blauschimmel“ am Start – und steckt schon mitten in der ersten Finanzkrise: Die Miete für das Atelier in der Oldenburger Kulturetage ist nur noch bis Ende Oktober gesichert.

„So schwer hätte ich mir das nie vorgestellt“, sagt der Schauspieler, der als Blaumeier-Mitarbeiter aus privaten Gründen nach Oldenburg gezogen war. Denn in den Bremer Anfängen vor nunmehr 13 Jahren lief „fast alles anders“: Die Langzeitpsychiatrie im Kloster Blankenburg löste sich gerade auf, die Bremer Psychiatriereform begann – und mit ihr die Blaumeiers. „Da sahen einfach viel mehr Leute die Notwendigkeit, etwas zu ändern.“ Da gingen die neuen Blaumeiers zur Stadt – „und kamen mit fünf ABM-Stellen wieder“ – um mit Künstlern und behinderten Menschen, normal-verrückten und verrückt-normalen, ein Projekt zu starten.

In Oldenburg dagegen gab's nur 5.000 Mark Startkapital vom Kultureferat. Und die meisten Behindertenverbände winkten ab: „Die sagen dann: Wir machen doch schon was mit Kunst – zum Beispiel Töpfern.“ Nur die Lebenshilfe half mit einer Mietübernahme. Aber damit ist bald Schluß, „Weil der Verein es sich einfach nicht leisten kann“, klagt Koch. „Große Sorgen“ macht er sich deshalb – und hat auch schon Rundbriefe an alle möglichen Leute gefaxt. „An das Ende wollte ich nicht schon denken – wir haben doch gerade erst angefangen.“

Immerhin mit zehn Künstlern, die sich spontan meldeten und alle ehrenamtlich und „mit Begeisterung“ dabei sind. Und mit rund 70 Leuten, die jede Woche bei den Tanz-, Musik- und Theaterprojekten mitmachen. „Froh“ ist Initiator Koch vor allem über das neue Domizil von „Blauschimmel“: „Wir sind mitten in der Kulturetage – und damit dort, wo die Normalen hingehen und auf Kultur machen.“ Vier Auftritte hat der „Blauschimmel“ schon hinter sich – „mit unseren Masken, die kommen hier auch total klasse an“. Und am 30. Oktober ist in der Oldenburger Innenstadt ein Kulturspektakel geplant – aber bis dahin „muß es unbedingt eine Perspektive geben“, sagt Koch, „sonst wird wieder geschlossen, obwohl ich sowas eigentlich gar nicht aussprechen darf“ . kat

Weitere Infos zum „Blauschimmel“ gibt es unter Tel.: 0441/864 81. Wer spenden will: Landessparkasse zu Oldenburg, Ktnr: 000-44 18 73, BLZ 280 501 00.

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