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Multitalent mit Maulkorb

Eduard Vermander, oberster Verfassungsschützer in Berlin, könnten die Pannen in seinem Amt den Posten kosten. Er gilt als Verfechter von Transparenz. Doch der Innensenator hat ihm einen Maulkorb verpaßt  ■ Von Otto Diederichs

Seit drei Jahre und anderthalb Monaten ist Eduard Vermander im Amt des Berliner Verfassungsschutzchefs. Das ist nicht viel für einen Mann, der bis dahin auf eine bruchlose Karriere im Schwäbischen zurückblicken konnte. Nun droht die fälschliche Einstufung des Leitenden Polizeidirektors Otto D. als Scientolge, die zudem auf Informationen eines ehemaligen Stasi-Mitarbeiters beruhte, zum Stolperstein für Vermander zu werden. Hinzu kommt das Urteil des Verwaltungsgerichts, das dem Verfassungsschutz vor einer Woche die Beobachtung der „Republikaner“ mit nachrichtendienstlichen Mitteln untersagte.

Nach diesen schweren Pannen hatte Vermanders Stuhl in den letzten Tagen bedenklich gewackelt. Wie Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) gestern einräumte, gab es bis Dienstag Überlegungen zu einem Rücktritt von Vermander. Nach mehreren Gesprächen mit der politischen Führung Berlins und dem CDU-Fraktionsvorstand hat Schönbohm dieses Szenario aber verworfen.

Vermander, der 1937 in Berlin geboren wurde, hatte es nach seinem Jurastudium an der Freien Universität nach Baden-Württemberg verschlagen. Dort arbeitete er zunächst als Richter und Staatsanwalt und wechselte anschließend in den Polizeibereich, wo er als Abteilungsleiter im Landeskriminalamt, Rektor der Polizei-Fachhochschule in Villingen-Schwenningen und Polizeipräsident von Karlsruhe und Stuttgart wirkte. Schließlich sammelte er noch geheimdienstliche Erfahrungen als Präsident des baden-württembergischen Landesamtes für Verfassungsschutz.

Eduard Vermander ist somit durchaus ein Multitalent. Den Verfassungsschutz im Ländle hatte er dem Vernehmen nach gut im Griff. Im Gegensatz zu vielen anderen Behördenleitern dieser Art stand er zudem im Ruf, sich für mehr Transparenz stark zu machen. Der Berliner CDU schien er damit der richtige Mann zu sein, um das notorisch skandalträchtige Verfassungsschutzamt in Zehlendorf endlich wieder aus den Schlagzeilen zu bringen.

Dennoch hätten dem mit solchen Vorschußlorbeeren bedachten Vermander schon bei seiner Amtseinführung im August 1995 erste Bedenken kommen müssen. Um parteipolitische Begehrlichkeiten von vornherein abzuwehren, verkündete er bei seiner Amtsführung: „Politischem Wunschdenken nach der einen oder anderen Richtung läßt das Gesetz keinen Raum.“ Prompt bekam er von Eberhard Diepgen (CDU) seinen ersten Rüffel. Dem Regierenden Bürgermeister unterstand damals das Landesamt für Verfassungsschutz nämlich persönlich. Der damalige Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) war mit dem Verfassungsschutz ebensowenig fertig geworden wie mit der Polizei. Bereits zugesagte Interviews jedenfalls mußte Vermander wieder absagen. Um den Verfassungsschutz-Jahresbericht nicht vorwegzunehmen, hieß es offiziell. Kein besonders guter Einstieg für den Parteilosen.

Das änderte sich auch nicht, als Jörg Schönbohm (CDU) Anfang 1996 Innensenator wurde und die Verantwortung für den Verfassungsschutz zurück in seine Zuständigkeit wechselte. Schönbohm erklärte die geheime Behörde umgehend zur Chefsache. Seither darf Vermander auf Pressekonferenzen oder im Verfassungsschutzausschuß nur das Wort ergreifen, wenn der Senator es ihm erteilt, und ergänzende Randbemerkungen machen. Den Maulkorb trägt er sichtbar ungern, aber, als loyaler Beamter, ohne zu murren. So bleibt von der verkündeten Transparenz nur das Schild „Landesamt für Verfassungsschutz“, das Vermander an dem bis dato namenlosen Gebäude anbringen ließ.

Bei den Schlapphüten selbst allerdings wurde er 1995 mit offenen Armen empfangen. Die sahen in ihm endlich wieder einen geheimdienstlichen Profi, nachdem sein Vorgänger Heinz Annußek das Amt eher bürokratisch verwaltet hatte. Doch auch das ist bei vielen vorbei. Seit Monaten herrscht Krieg in der Führungsetage der Schattenmänner. Mit Rückendeckung von Schönbohm sollte Vermander das Amt umstrukturieren und bei dieser Gelegenheit gleich von Querulanten befreien.

Einer, der davon betroffen wäre, ist Verfassungsschutz-Vize Klaus Müller. Der war schon im Amt, als Vermander vor drei Jahren nach Berlin kam, und klagte gerade vor dem Verwaltungsgericht gegen seine beabsichtigte Versetzung. Müller war 1989 vom rot-grünen Innensenator Erich Pätzold aus der sogenannten P-Abteilung der Staatsanwaltschaft zum Verfassungsschutz versetzt worden. Eine aus heutiger Sicht verblüffende Entscheidung, denn durch Fortschrittlichkeit war der CDU-Mann Müller in der für politisch motivierte Delikte zuständigen Abteilung nicht gerade aufgefallen. Seither jedenfalls ist Klaus Müller im Amt der ewig Zweite und würde es bis zu seiner Pensionierung im August 2002 auch gern bleiben.

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