: Auf dem Weg in den Fußballkapitalismus
Die Übernahme des englischen Erstligaklubs Manchester United durch Medienmogul Rupert Murdoch markiert den Einstieg in eine zukunftsweisende neue Verbindung von Fußball- und Medienkonzernen ■ Aus London Jürgen Krönig
Beim Gefecht um Manchester United prallte die alte und die neue Fußballkultur gestern noch einmal hart aufeinander. Die da oben, beschlipste Vorstandsherren von Manchester United und BSkyB, dem Satellitenfernsehen von Medienmogul Rupert Murdoch, ergingen sich in lyrischen Beschreibungen der neuen Partnerschaft und versprachen das Goldene vom Himmel: neue Stars, größeres Stadion, kleine Ticketpreise und eine glänzende Zukunft für den Club. „BSkyB wird uns auf einen anderen Planeten versetzen“, jubilierte Martin Edwards, Vorstandsdirektor des Clubs, der nun auf einen Schlag um über 200 Millionen Mark reicher wird, weil ihm ein größeres Aktienpaket gehörte. Die da unten aber, die treuen Anhänger, das Fußvolk des alten Sports, lassen sich von sowas nicht einlullen. Die Vereinigung der Anhänger ruft zu Protest und Widerstand auf.
Ihre einzige Hoffnung ruht auf einer Gruppe von Aktionären, die bei der anstehenden Vollversammlung 15.000 Kleinaktionäre und institutionelle Anleger gegen den Deal mobilisieren will. Doch Murdochs Angebot, in letzter Minute noch um 150 Millionen Mark erhöht, ist zu lockend. Für den Tycoon sind die Proteste nicht mehr als lästige Nachhutgefechte. Er hat ähnliche Situationen oft genug erlebt, zuletzt noch beim Kauf des Baseballteams Los Angeles Dodgers. Doch am Ende ist es stets das gleiche Lied: die Meute kläfft, Murdochs Karawane zieht weiter, neuen, profitträchtigen Gefilden entgegen.
Mit Manchester United besitzt Murdoch nun das Kronjuwel des britischen Fußballs. Kein Club ist populärer, reicher und profitabler. Rund 20 Prozent aller englischen Fußballfans unterstützen „Man U“, wie sie das Team von Manager Alex Fergusson liebevoll zu nennen pflegen. Auch ist der Verein ein hochattraktiver, weil global bekannter, Markenname. Der Aufruhr der vergangenen Tage könnte den Eindruck erwecken, daß hier um eine hochgeschätzte lokale Institution gerungen wurde. Doch United zeichnet sich seit langem durch hartgesottene Geschäftspraktiken aus. Zum Beispiel wechselte man alle paar Monate die Trikots, um den Fans Geld für Neue aus der Tasche zu locken. Der Profit des letzten Geschäftsjahres belief sich auf 30 Millionen Mark.
Die Summe, die Murdoch hinblättert, wirkt nur auf den ersten Blick überzogen. In Wahrheit hat er ein Schnäppchen gemacht hat. Für 1.8 Milliarden Mark lassen sich 10 stargespickte Hollywoodfilme produzieren. Mit Manchester United aber hat BSkyB einen Programmrenner erworben, der unentwegt laufen wird – für das immer noch wachsende globale Fernsehpublikum, das ohne Fußball nicht leben will. Kein Wunder, daß andere Medienkonzerne sich nicht abhängen lassen wollen: Arsenal London und Liverpool sind die besonders begehrten Clubs, aber auch Tottenham steht auf der Wunschliste der Murdoch-Konkurrenten.
Sein neuester Coup, finanziert aus einer mit 8 Milliarden Dollar prall gefüllten Kriegskasse (andere Beutezüge sind in Vorbereitung) versetzt Murdoch in eine beneidenswerte strategische Position am Anfang der viel beschworenen digitalen Fernsehrevolution. Das digitale Projekt aber wird nur dann ein Erfolg werden, wenn man attraktive Software für die Hunderte neuer Kanälen bieten kann. Der Kauf von Manchester United ist die logische Fortsetzung der globalen Eroberungsstrategie des Tycoons. Früher als andere sicherte er sich die Übertragungsrechte für sportliche Großereignisse. Sportrechte dienen ihm als „Rammbock“ (Murdoch) gegen die Konkurrenz. Sie sind wichtiger noch als Hollywood-Filme.
Doch die Fernsehrechte gehören letztlich den Clubs selbst. Sie könnten versucht sein, diese lukrativen Rechte selbst zu vermarkten und die Murdochs und Kirchs dieser Welt abzuhängen. Gegen dieses Risiko hat sich Murdoch mit dem Kauf von Manchester United abgesichert. Und in Zukunft sitzt er auf beiden Seiten des Verhandlungstisches, wenn es um die Vergabe der Fernsehrechte der englischen Premier League gehen wird. Bis 2001 hat sich Murdochs Sky TV die Liga gesichert und zahlte für vier Jahre 1.9 Milliarden Mark. Derzeit prüfen die britischen Wettbewerbshüter, ob Fernsehrechte weiterhin kollektiv durch die Premier League vermarktet werden dürfen. Sollte das Kartellamt entscheiden, daß die Vereine sich selbst vermarkten dürfen, stünde Murdoch noch besser dar. Ähnlich rosig ist die europäische Dimension des Deals. Sollte die „Liga der Gier“, die europäische Superliga, die Murdoch plant, kommen, wäre er wiederum in einer Schlüsselstellung.
Auch ohne Euroliga wird sich der Fußball dramatisch verändern. Die Liaison zwischen Fußball und globalem Fernsehen wird Folgen haben. Das Spiel mit dem Ball mutiert in einen transnationalen Fernsehsport, in dem Marktprinzip und Shareholder-Value dominieren. Bislang schufen die Regeln der Verbände noch Schutzzonen für schwächere Clubs. In der Brave New World des Fernsehfußballs wird dieses zivilisierende Element zerstört. Nur scharfe Regulierung könnte den Sport noch retten.
Spannungen zwischen Fußball und Businessinteressen gibt es nicht erst seit gestern. Aber bislang konnte der Fußball mit diesen Widersprüchen leben. Die meisten Besitzer waren sentimentale Mäzene oder Unternehmer, die sich mit dem Kauf eines Clubs einen Kindheitstraum erfüllten. Nicht länger mehr. Jetzt haben Fernsehrevolution und der Siegeszug globaler Marktkräfte gesorgt. Murdoch ist der Prototyp des neuen Clubchefs – unsentimental, immer auf der Suche nach neuen Profiten. Die Umwandlung von Vereinen in Aktiengesellschaften, die man jetzt auch in Deutschland anpeilt, beschleunigt den Prozeß noch.
Ganz der Logik des „Shareholder Values“ entsprechen denn auch die Pläne der TV-Konzerne für die europäische Superliga. Fußball ist Big Business, aber es ist kein normales Business. Fußball ist zu unberechenbar, sein Produkt ist instabil, schwer dauerhaft zu vermarkten oder gegen rapide Entwertung zu schützen. Vernünftiges Business läßt sich mit Zufälligkeiten wie einem verschossenen Elfmeter oder der roten Karte für einen Spieler, der ausrastet, eigentlich nicht vereinbaren. Garantierte Plätze für Eliteclubs über drei Jahre wie sie die Betreiber der Euroliga anboten, sind ein erster Schritt weg von Leistung und Wettbewerb. Die Warnzeichen sind nicht zu übersehen.
In Großbritannien kann jetzt nur noch die Politik den Fußballkapitalisten einen Strich durch die Rechnung machen. Die Regierung könnte den Deal zwischen Manchester United und BSkyB wegen der weitreichenden Implikationen für Fußballsport wie Medienindustrie durch das britische Kartellamt (Monopolies and Mergers Commission) untersuchen lassen. Doch die Regierung Tony Blairs fühlt sich von den mächtigen Zeitungen Rupert Murdochs, Times und Sun abhängig. Die Entscheidung über die Untersuchungwird erst nach dem Bericht des OFT, des Office for Fair Trading, an Industrie- und Handelminister Peter Mandelson fallen. Doch die Aussichten auf ein Nein der Wettbewerbshüter sind äußerst gering. Darin sind sich alle einig, Gegner und Befürworter des Deals.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen