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Auch Hamburgs SPD in der Krise

■ Forsa-Umfrage: Voscherau schweigt, GAL schwelgt, Kuhbier schwadroniert Von Florian Marten

„Jetzt muß man ja fast schon Mitleid mit der SPD haben. Mir geht das Ganze zu schnell.“ Mit mehr Betroffenheit als Häme reagierte gestern der GAL-Abgeordnete Martin Schmidt auf die Ergebnisse einer aktuellen Meinungsumfrage des Forsa-Institutes: Wäre heute Bundestagswahl kämen laut Forsa SPD und Grüne auf jeweils 26 Prozent, die CDU auf 41 Prozent. Nur ein kleines bißchen freundlicher wären die Ergebnisse einer heutigen Bürgerschaftswahl: Statt Partei 1, FDP 2, GAL 25, SPD 30 und CDU 36 Prozent.

Bürgermeister Henning Voscherau verweigerte gestern jeden Kommentar. SPD-Chef Jörg Kuhbier sprang in die Bresche: „Das ist kein Hamburger Ergebnis. Das ist Bonn pur.“ Die „Bundes-SPD“ müsse endlich liefern, was jeder von ihr erwarte: „Kreative, wegweisende und durchdachte Konzepte für die Herausforderungen der Zukunft.“ Und die Hamburger Sozis? Kuhbier: „Zu unserer inhaltlichen Arbeit sehen wir keine Alternative.“

Inhaltliche Arbeit? Am Donnerstag nachmittag beispielsweise tagte der Wirtschaftsausschuß der Bürgerschaft. Drei Themen, alle von der GAL angemeldet und glänzend vorbereitet, standen auf der Tagesordnung: Subventionierter Kriegsschiffbau bei Blohm & Voss, Schließung der letzten deutschen Solarzellenproduktion bei ASE in Wedel und die Krise beim Airbus. Ergebnis: Grüne, CDU und SPD beschließen einhellig, der Senat solle sich für Rüstungskonversion weiterhin einsetzen.

Abgelehnt wurden im Wirtschaftsausschuß dagegen die weiteren Anträge der GAL: Erstens: Die HEW sollten die ASE kaufen und so Arbeitsplätze und Wirtschaftszukunft retten. Zweitens: Die Aufforderung, sich für die Sperrung der Subventionskredite für die Türkeifregatten einzusetzen, und drittens der Vorschlag der GAL, die Stadt, immerhin im Aufsichtsrat der Airbus-Dachgesellschaft Dasa vertreten, solle dort für ökologische Zukunftsprodukte kämpfen und Rüstungsprojekte wie den Eurofighter und den Trans- allnachfolger ablehnen.

Ewas später am Donnerstag abend: Ein paar Schritte vom Wirtschaftsausschuß entfernt tagt der Landesarbeitskreis der Grünen zum Thema „Zukunft des HVV“: Gäste des HVV und der Hochbahn beklagen sich bitter über die Politik ihrer SPD, suchen zusammen mit der GAL nach Zukunftsperspektiven.

Selbst Stadtchef Henning Voscherau, gewieft im Aufspüren zukünftiger Bedrohungen, schwant Schlimmes: „Guckt Euch die Modernisierungspläne von Joschka Fischer in seinem Brief an die Mitglieder und Funktionäre seiner Partei genau an“, so Voscherau diese Woche auf einem Treffen von SPD- und Gewerkschaftsspitzen: „Wenn wir nicht aufpassen, kriegen die Grünen die Kurve und besetzen die Zukunftsfelder bei den Themen, die einst unsere Stärke waren.“ Ein Gewerkschafter, freilich noch in Unkenntnis der Forsa-Umfrage, witzelte zurück: „Wenn Ihr nur noch eine 20-Prozent-Partei seid, müssen wir uns sowieso woanders umgucken.“

Die Grüne Krista Sager ahnt, was da auf sie zukommt: „Dieser Zerfall der SPD jetzt auch in Hamburg ist eine große Herausforderung. Jetzt werden von uns Regierungsprogramme und verantwortliche Politikvorschläge erwartet. Jetzt müssen wir richtig erwachsen werden.“

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