: Amaretto, Bacardi, Cola, Dimple
■ Zum Mittrinken: Gerhard Henschels „Bruno in tausend Nöten“
Wer Bruno zum Freund hat, braucht keine Feinde. Aber das ist egal, weil sowieso niemand engeren Kontakt mit dem Versager pflegt. Seine Behausung ist in einem erbarmungswürdigen Zustand, Gästen bietet er Sekt in ausgespülten Raviolidosen an, und sein Verhältnis zum anderen Geschlecht ist eher verworren. Obwohl er sich selbst für einen „homme à femmes“ hält.
Aber nicht Bruno ist die eigentlich bedauernswerte Person in Gerhard Henschels Geschichtensammlung „Bruno in tausend Nöten“. Viel schlimmer erwischt es den Ich-Erzähler, den einzigen Freund des Wirrkopfes. Ob im Vorgarten der Vermieterin Frau Morgenstern nach antiken Grabbeigaben gebuddelt oder die Kleidung in der Kanalisation bei einer Reise zum Mittelpunkt der Erde verschandelt wird: Immer muß der treue Gefährte mitmachen. Spätestens unter schwerem Alkoholeinfluß – zur Auswahl stehen Emslandfeuer oder eine Mischung aus Amaretto, Bacardi, Cola und Dimple – ist er für alles zu haben.
Ein gewisser Charme ist Henschels Figuren nicht abzusprechen. Am Ende steht das Versagen, das stimmt melancholisch. Bruno, von dem man annimmt, nichts werfe ihn aus der Kreisbahn seines Lebens, verzweifelt zuweilen sogar. „Seit ich die Steine kenne, liebe ich das Nichts“, vollendet er eine längere Gedankenkette, bevor er in ein düsteres Schweigen verfällt.
Henschel ist ein schönes Lektürestückchen geglückt, mit fein gezeichneten Nebenpersonen, witzigen Alltagssituationen und einem Hang zum Grotesken. Schon die Anekdote, wie der traurige Held unter Drogeneinfluß versucht, Sieglinde mit dem ältesten Zaubertrick der Welt herumzukriegen, läßt einen vor Vergnügen mit den Beinen strampeln. Gerade weil man weiß, wie alles ausgehen wird: Bruno ist am Ende der Trottel, der Erzähler peinlich berührt, und alles endet im Suff. Am liebsten würde man mittrinken.
Eberhard Spohd
Gerhard Henschel: Bruno in tausend Nöten. Illustriert von Wolfgang Herrndorf, Edition Nautilus, Hamburg 1998, 187 Seiten, 29,80 Mark
Lesung: Montag, 20 Uhr, Literaturhaus, Schwanenwik 38
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