■ Vorschlag: Deutscher HipHop vs. amerikanischer HipHop oder Die Qual der Wahl
HipHop-Fans dürften heute abend in Entscheidungsnöte geraten: Sollen sie den Weg ins SO 36 einschlagen, wo sich die amerikanischen HipHopper Cappadonna, Defari und Xzibit ein auf den ersten Blick sehr attraktives Stelldichein geben? Oder ab in den Knaack zur Münchner Reimgruppe Blumentopf? Letzteres ist anzuraten, da US-Rapper bekanntlich höchst unsichere Kantonisten sind. Die Wu-Ableger Sunz Of Man cancelten erst vor zwei Wochen ihre Tour, weil sie angeblich kurz vor Reiseantritt von einer Agentur finanziell übers Ohr gehauen worden waren. Es wäre nicht unklug, im SO 36 nachzufragen, ob Defari, der Paparazzi-Beschwörer Xzibit und der Wu-Tang-assozierte Mantel-und-Degen-Rapper Cappadonna wirklich in der Stadt auftauchen. (Bei Agentur und Veranstalter lagen Freitag um ein Uhr noch keine weiteren Absagen vor.)
Eine sichere Bank hingegen ist der Auftritt von Blumentopf. Die fünfköpfige Gruppe tauchten mit ihrem Album „Kein Zufall“ relativ unvermittelt auf der deutschen HipHop-Bühne auf. Sie rockten zwar schon jahrelang alle möglichen Clubs zwischen Buxtehude und Berchtesgaden, doch erst durch einen Vertrag mit dem Fanta-Vier- Label „Four Music“ wurde einem größeren Publikum bekannt, daß mit Blumentopf selbst München ein Recht auf einen Fleck auf der HipHop-Landkarte hat.
Und tatsächlich muß man auch den Fantas für ihr gutes Näschen einmal mehr Respekt zollen. Blumentopf sind weit entfernt davon, HipHop als den deutschen Schlager der ausgehenden Neunziger zu etablieren. Mit Beats, die sich bewußt nicht entscheiden wollen zwischen knarzig und kuschelig. Und mit flüssigen Reimen, die vom Leben junger und alter Heranwachsender erzählen, die nicht einverstanden sind mit Arbeitslosigkeit, Sonntagsrappern, Boygroups, Vielredern in Talkshows usw. usf. Lösungen haben sie natürlich trotzdem keine parat: „Der Treibstoff sind Beats, zu denen mein Kopf wippt. Ich schließ' die Augen und genieß' die Musik.“ Gerrit Bartels
Ab 21 Uhr im SO 36, Oranienstr. 190, oder ab 22 Uhr, Knaack-Club, Greifswalder Str. 224, Prenzlauer Berg.
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