: Sozialsenatorin glaubt nicht an Bremens Wirtschaftsaufschwung
■ Streit um Sozialhilfe-Prognose: Der Bremer Senat plant mit deutlichen Wirtschaftswachstums-Effekten, aber Experten der Sozialsenatorin glauben nicht daran / Gerangel um Haushalt
Dem Bremer Senat fehlt ein Mann mit einschlägiger Erfahrung aus der DDR-Planwirtschaft. Der könnte vielleicht „dialektisch“ das praktische Problem lösen, über das Finanz- und Sozialbehörde seit Monaten streiten: Werden die Sozialhilfe-Kosten weiter um fünf Prozent jährlich ansteigen, oder werden sie mit nur zwei zusätzlichen Prozent zu Buche schlagen? Der kleine Unterschied macht Millionen-Differenzen in der mittelfristigen Finanzplanung aus.
Die Sozialbehörde, die am Ende nicht dumm dastehen will – als diejenige, die nicht mit Geld umgehen kann – hat die bisherigen Trends und Erfahrungen hochgerechnet und kam schon bei den Haushalts-planungen im Jahre 1997 auf die eindeutige Antwort: Realistischerweise sollte eine Steigerung von fünf Prozent angenommen werden. Dem widersprachen die Experten des Finanzressorts: Nur zwei Prozent wurden eingeplant. Begründung: Die Wirkung des „Investitions-Sonder-Programms“ (ISP), eines Finanztopfes, der sich durch Bonner Sanierungsmilliarden an Bremen ergibt, werde plangemäß in den Jahren bis 2002 so deutliche Wirkung zeigen, daß die Sozialhilfeausgaben in Bremen sinken.
Die vom Sozialressort verstehen diese Logik jedoch nicht ganz: Bei den erhofften ISP-Effekten handele es sich doch um nichts als reine „Modellrechnungen“, schreiben die Finanzexperten von Senatorin Tine Wischer. Und bisher hätten diese Modellrechnungen noch nie gestimmt. „Entgegen den Schätzungen“, so eine interne Stellungnahme der Senatorin, sei die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten weiter gefallen. Dies weist auch die aktuellste Statistik bis zum April 1998 nach. Auch die Einwohnerzahl ist weiter „rückläufig“ – all dies darf nach den ISP-Modellen aber nicht mehr sein. Bisher sind die Millionen-Ausgaben des ISP vor allem für Straßenbau und langfristige Infrastrukturverbesserungen ausgegeben oder verplant worden. Kurzfristige Effekte wären zwar bei den Großprojekten Space- und Ocean-Park zu erwarten – aber können ein paar hundert Billig-Jobs den Trend umkehren? Die Experten der Sozialsenatorin melden höflich ihren Zweifel an: „Die isoliert betrachteten Wachstumseffekte des ISP, wie sie in den Untersuchungen vorgenommen werden, sind auch angesichts der Verzögerungen etwa beim Space- und Ocean-Park nicht mehr zu den erwarteten Zeitpunkten realisierbar.“ Die Sozialbehörde bleibt dabei: Bis zum Jahr 2002 ist es „realistisch“, mit fünf Prozent mehr Ausgaben für Sozialhilfe zu planen.
Etwas trotzig verweist der Finanzsenator in seiner internen Replik darauf, daß man ja immerhin „diese Thematik dem Bund und den Ländern wie folgt vermittelt“ habe: Die Bonner Sanierungsmilliarden führen zu „überdurchschnittlichen Wachstumsraten“ und schaffen „dauerhaft rd. 35.000 zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten innerhalb der Landesgrenzen“. Immerhin sei es bisher schon gelungen, den realen „Beschäftigungsrückgang innerhalb der Landesgrenzen“ zu bremsen – die Richtung stimme, wenn auch „nicht im gewünschten Maße“.
In der Tat geht es nicht, daß der Bremer Senat den anderen Bundesländern etwas von überdurchschnittlichem Wachstum erzählt, bei Sozialhilfekosten aber davon ausgegangen wird, dies sei nicht so ernst zu nehmen. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, wird der Senat daher am Dienstag beschließen, daß die Sozialhilfekosten bis 2002 nur um zwei Prozent steigen.
K.W.
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