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Straßenschlachten zum Jahrestag des Putsches

■ Chiles Exdiktator Augusto Pinochet behauptet, er habe sich nichts vorzuwerfen

Buenos Aires (taz) – Drei Tote, 319 Festgenommene und 77 Verletzte, so lautet die finstere Bilanz des 25. Jahrestages des Militärputsches am vergangenen Freitag in Santiago de Chile. Nach Angaben des Bürgermeisters der chilenischen Hauptstadt sind unter den Festgenommenen 102 Minderjährige. Es waren die schwersten Straßenschlachten in der Geschichte des Landes seit dessen Rückkehr zur Demokratie vor acht Jahren.

Kritik an dem harten Durchgreifen der Sicherheitskräfte kam diesmal nicht nur von Menschenrechtsorganisationen, sondern auch von dem der Regierungskoalition angehörenden Senator, Jaime Gazmuri. Er sagte, daß Santiago de Chile am Putschjahrestag einer militarisierten Stadt geglichen habe.

Am Freitag lieferten sich den ganzen Tag über Gegner des Exdiktators Augusto Pinochet und Polizisten in der Stadt schwere Straßenschlachten. Nur drei Blocks von dem Präsidentenpalast La Moneda im Zentrum von Santiago flogen Steine und Molotowcocktails in Richtung Polizei, die mit Tränengas und Wasserwerfern zurückschoß. Die Pinochet-Gegner, angeführt von der Kommunistischen Partei Chiles und Menschenrechtsgruppen, wollten an dem Ort, an dem Präsident Salvador Allende vor 25 Jahren ums Leben kam, dem demokratischen Sozialisten gedenken. Die Regierung hatte das aber bereits Tage zuvor untersagt.

Die Polizei ging mit ungewöhnlicher Härte gegen die Demonstranten vor und setzte Tränengas und Hubschrauber gegen sie ein. Auf dem Zentralfriedhof von Santiago, wo der Leichnam Allendes beerdigt ist, ging es mit den Auseinandersetzungen weiter. Zahlreiche friedliche Demonstranten gelangten überhaupt nicht bis zum Friedhof, weil die Polizei das Gebiet weiträumig abgeriegelt hatte. In der Nacht von Freitag auf Samstag wurden schließlich Polizeikasernen beschossen und zahlreiche Geschäfte geplündert. Die Stromversorgung der Hauptstadt Santiago war an 22 Stellen unterbrochen.

Die Regierung gedachte des Putsches mit einer Messe in der Kapelle des Regierungspalastes, an der zwar der Innenminister Raúl Troncoso teilnahm, allerdings nicht Präsident Eduardo Frei. In Anspielung auf Pinochet sagte Kaplan Miguel Ortéga dort in seiner Predigt, „nur der Stolze und der Feigling glauben, daß sie sich niemals geirrt haben oder sich demütigen würden, wenn sie um Verzeihung bäten“.

In den vergangenen Tagen hatte Pinochet mehrmals wiederholt, er habe sich persönlich nichts vorzuwerfen. „Warum sollte ich um Entschuldigung bitten?“ sagte er in einem Interview und fragte weiter, ob ermordete Diktaturgegner sich bei den „Müttern getöteter Soldaten entschuldigt“ hätten. Über das Schicksal der im Lauf seiner Diktatur insgesamt 3.200 Verschwundenen im Zeitraum zwischen den Jahren 1973 und 1990 wisse er nichts und gab an: „Es gibt niemanden, der das weiß. Ich weiß auch nicht, wo sie sind.“

Währenddessen hat ein Gericht in Santiago erstmals entschieden, gegen Pinochet zu ermitteln und damit an seiner Immunität zu rütteln. Das oberste Verfassungsgericht entschied, das Verfahren wegen des Verschwindens eines Arbeiters wieder aufzurollen. Das Gericht stellte fest, daß in Chile nach dem Putsch 1973 Krieg geherrscht habe und die Putschisten internationale Konventionen ignoriert hätten.

Am Freitag traf sich Augusto Pinochet mit alten Kameraden zu einer privaten Messe in der Militärschule. Er feierte einmal mehr die Rettung des Vaterlandes vor dem Kommunismus. Ingo Malcher

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