piwik no script img

„Ich hatte nie eine Affäre mit ihr“

■ Im Kern seines Berichts schildert und analysiert Kenneth Starr die gerichtlichen Befragungen Präsident Clintons über seine Beziehung zu Monica Lewinsky und stellt sie deren eigener Aussage über sexuelle Handlungen gegenüber

Präsident Clintons Aussagen unter Eid im Zivilverfahren Paula Jones

Die Anwälte von Paula Jones übergaben dem Präsidenten schriftliche Fragen. Eine lautete im relevanten Teil: Bitte geben Sie Name, Adresse und Telefonmummer aller (Bundesangestellten) an, mit denen Sie als Präsident der Vereinigten Staaten sexuellen Verkehr hatten. Die Fragen definierten den Begriff „sexuellen Verkehr“ nicht. Am 23. Dezember 1997 antwortete Präsident Clinton: „Keine.“

Bei der Aussage des Präsidenten am 17. Januar 1998 in bezug auf mögliche sexuelle Aktivitäten mit Monica Lewinsky wurde der Begriff „sexueller Verkehr“ folgendermaßen definiert: Zum Zwecke dieser Aussage unterhält eine Person „sexuellen Verkehr“, wenn sie bewußt eine Berührung mit den Genitalien, dem Anus, der Leistengegend, der Innenseite der Oberschenkel, der Brust oder dem Gesäß irgendeiner Person herstellt oder verursacht mit dem Ziel, sexuelle Erregung zu stimulieren oder zu befriedigen. „Berührung“ bedeutet absichtliche Berührung, entweder direkt oder durch die Kleidung hindurch.

Der Präsident beantwortete eine Reihe von Fragen:

Hatten Sie eine außereheliche sexuelle Affäre mit Monica Lewinsky?

Clinton: Nein.

Wenn sie jemandem erzählte, sie habe seit November 1995 eine Affäre mit Ihnen gehabt, wäre das eine Lüge?

Das ist sicherlich nicht die Wahrheit. Es wäre nicht die Wahrheit.

Ich glaube, ich habe den Ausdruck „sexuelle Affäre“ benutzt. Damit das im Protokoll absolut klar ist: Haben Sie jemals sexuellen Verkehr mit Monica Lewinsky gehabt, so wie dieser Begriff in der Aussage Anlage 1, modifiziert durch das Gericht, definiert ist?

Herr Bennett: Ich erhebe Einspruch, denn ich weiß nicht, ob er sich erinnern kann...

Richterin Wright: Nun, das läßt sich ganz kurz machen. Er kann – ich lasse die Frage zu und Sie dürfen dem Zeugen die Aussage Anlage 1 zeigen.

Clinton:: Ich hatte niemals sexuellen Verkehr mit Monica Lewinsky. Ich hatte nie eine Affäre mit ihr.

Monica Lewinskys Zeugnis

Monica Lewinsky sagte unter Eid vor der Grand Jury aus, daß sie seit November 1995, als sie eine 22jährige Praktikantin im Weißen Haus war, eine lang andauernde Beziehung zum Präsidenten unterhielt, die erhebliche sexuelle Aktivitäten einschloß. Sie bezeugte detailliert Zeitpunkt, Datum und Form von zehn sexuellen Begegnungen, in denen es zu irgendeiner Form von Genitalverkehr kam.

Die zehn Vorfälle werden hier beschrieben, denn dies ist notwenig, um festzustellen, ob der Präsident unter Eid gelogen hat, sowohl vor dem Zivilgericht, wo er bestritt, daß es überhaupt zu irgendwelchen sexuellen Kontakten gekommen sei, als auch vor der Grand Jury, wo er zwar einen „unangemessenen Intimkontakt“ zugab, aber bestritt, irgendwelchen sexuellen Kontakt mit Frau Lewinskys Brust oder Genitalien gehabt zu haben. Beim Lesen der folgenden Beschreibungen sollte man diese Behauptungen im Gedächtnis behalten.

Bedauerlicherweise macht es die Art, in der der Präsident alles leugnet, notwendig, die Beweise des Gegenteils in allen Einzelheiten darzulegen. Hätte der Präsident bei seiner Aussage vor der Grand Jury die von Frau Lewinsky beschriebenen sexuellen Aktivitäten zugegeben und eingeräumt, daß er unter Eid vor dem Zivilgericht gelogen hat, dann wären diese detaillierten Beschreibungen überflüssig.

Mittwoch, 15. November 1995: Zweimal lud der Präsident sie an diesem Abend ein, ihn in der Nähe des Oval Office zu treffen. Beim ersten Mal führte er sie ins Arbeitszimmer des Oval Office, wo sie sich küßten. Beim zweiten Mal befriedigte sie ihn oral im Flur vor dem Oval Office. Während dieser Begegnung berührte und küßte der Präsident Frau Lewinskys nackte Brüste. Außerdem schob der Präsident seine Hand in Frau Lewinskys Unterhose und stimulierte direkt ihre Genitalien (Handlungen, die klar der Definition von „sexuellem Verkehr“ entsprechen, wie sie im Jones-Verfahren benutzt wurde).

Freitag, 17. November 1995: Während dieser Begegnung, so Frau Lewinsky, habe sie den Präsidenten oral im privaten Badezimmer vor dem Arbeitszimmer des Oval Office befriedigt. Der Präsident initiierte den Oralsex, indem er seine Hose öffnete und seine Genitalien zeigte. Frau Lewinsky verstand die Handlungen als Aufforderung, ihn oral zu befriedigen. Auch während dieser Begegnung streichelte der Präsident Frau Lewinskys nackte Brüste mit seinen Händen und küßte ihre Brüste.

Sonntag, 31. Dezember 1995: Sobald sie eintraf, hob der Präsident ihren Pullover und streichelte ihre nackten Brüste mit seinen Händen und küßte ihre Brüste. Sie sagte aus, daß sie ihn oral im Flur vor dem Arbeitszimmer des Oval Office befriedigte.

Sonntag, 7. Januar 1996: Der Präsident hatte diese Begegnung arrangiert, indem er Frau Lewinsky zu Hause angerufen und sie zu einem Besuch eingeladen hatte. Bei dieser Gelegenheit gingen der Präsident und Frau Lewinsky ins Badezimmer, wo er ihre Brüste mit seinen Händen und seinem Mund liebkoste. Während dieser Begegnung sagte der Präsident, er wolle sie oral befriedigen, aber sie hinderte ihn aus körperlichen Gründen daran.

Sonntag, 21. Januar 1996: Der Präsident hob ihre Oberbekleidung und streichelte ihre nackten Brüste. Der Präsident öffnete seine Hose und zeigte seine Genitalien, und sie befriedigte ihn oral im Flur außerhalb des Oval Office.

Sonntag, 4. Februar 1996: An diesem Tag hatte der Präsident Frau Lewinsky zu sich gerufen. Während ihrer Begegnung entfernte der Präsident teilweise Frau Lewinskys Kleid und Büstenhalter und berührte ihre nackten Brüste mit Mund und Händen. Er berührte auch ihre Genitalien direkt. Frau Lewinsky befriedigte den Präsidenten oral.

Sonntag, 31. März 1996: Der Präsident arrangierte diese Begegnung, indem er Frau Lewinsky zu sich rief und sie ins Oval Office einlud. Während dieser Begegnung befriedigte Frau Lewinsky den Präsidenten nicht oral. Der Präsident streichelte Frau Lewinskys nackte Brüste mit seinen Händen und seinem Mund und streichelte ihre Genitalien direkt, indem er ihre Unterwäsche aus dem Weg zog. Zusätzlich führte der Präsident eine Zigarre in Frau Lewinskys Vagina ein.

Sonntag, 7. April 1996: Bei dieser Gelegenheit berührte der Präsident Frau Lewinskys Brüste, sowohl durch ihre Kleidung wie auch direkt. Nachdem der Präsident seine Hosen öffnete, befriedigte Frau Lewinsky ihn auch oral.

Freitag, 28. Februar 1997: Der Präsident führte diese Begegnung herbei, indem er seine Sekretärin, Betty Currie, Frau Lewinsky anrufen ließ, um sie ins Weiße Haus für eine Radioansprache einzuladen. Nach der Ansprache küßten sich Frau Lewinsky und der Präsident beim Badezimmer. Der Präsident knöpfte ihr Kleid auf und streichelte ihre Brüste, erst mit Büstenhalter und dann direkt. Er berührte ihre Genitalien durch ihre Kleidung, aber diesmal nicht direkt. Frau Lewinsky befriedigte ihn oral. An diesem Tag trug Frau Lewinsky ein blaues Kleid, das, wie forensische Untersuchungen eindeutig gezeigt haben, mit dem Samen des Präsidenten befleckt wurde.

Samstag, 29. März 1997: Bei dieser Gelegenheit knöpfte der Präsident Frau Lewinskys Bluse auf und berührte ihre Brüste durch den Büstenhalter, aber nicht direkt. Er führte auch seine Hände in Frau Lewinskys Hose hinein und stimulierte ihre Genitalien. Frau Lewinsky befriedigte ihn oral, und sie hatten auch kurzen direkten Genitalkontakt.

Physisches Beweismaterial: Frau Lewinsky gab den OIC-Untersuchern ein Kleid, das sie während des Zusammentreffens am 28. Februar 1997 trug, das nach ihrer Meinung mit dem Samen des Präsidenten befleckt sein könnte. Auf Anfrage des OIC untersuchte das FBI das Kleid und fand Samenflecken. Daraufhin beantragte das OIC vom Präsidenten eine DNA- Probe. Am 3. August 1998, zwei Wochen vor der Aussage des Präsidenten vor der Grand Jury, nahm ein Arzt des Weißen Hauses dem Präsidenten in Anwesenheit eines hochrangigen OIC-Anwals und eines FBI-Sonderagenten Blut ab. Mit der sensibelsten DNA-Analyse RFLP fand das FBI-Labor eindeutig, daß der Samen auf Frau Lewinskys Kleid tatsächlich der des Präsidenten war. Die Chance, daß der Samen nicht der des Präsidenten ist, beträgt 7,87 Billionen zu eins.

Die Aussage des Präsidenten vor der Grand Jury

Würde Monica Lewinsky lügen, wenn sie sagte, daß Sie ihre Brüste berührten, als Sie im Oval Office waren?

Clinton: Das ist nicht meine Erinnerung. Meine Erinnerung ist, daß ich keinen sexuellen Verkehr mit Frau Lewinsky hatte, und ich bleibe bei meiner früheren Aussage dazu... Meine, meine Aussage ist, daß ich nach dieser Definition keinen sexuellen Verkehr hatte.

Würde sie lügen, wenn sie sagte, daß Sie ihr Brüste geküßt hätten?

Ich werde auf meine frühere Erklärung zurückgreifen (die Verneinung von „sexuellem Verkehr“).

OK. Würde Monica Lewinsky lügen, wenn sie sagt, daß Sie ihre Genitalien berührten, während Sie im Oval Office waren? Sie müssen „Ja“ oder „Nein“ sagen oder auf Ihre frühere Erklärung zurückgreifen.

Ich werde dazu auf meine frühere Erklärung zurückgreifen.

Der Präsident führte aus, daß er sich überlegte, Brüste oder Genitalien während sexueller Aktivität im Sinne der Jones-Definition zu berühren, aber er verneinte, daß er solches Verhalten je mit Frau Lewinsky durchgeführt hätte.

Also Berührung, aus Ihrer Sicht damals und heute – das Berühren der bewußten Person oder das Küssen der Brüste einer anderen Person würde unter diese Definition fallen?

Das ist richtig, Sir.

Und Sie haben in der Jones-Aussage ausgesagt, daß Sie mit Monica Lewinsky keinen sexuellen Verkehr unter dieser Definition hatten, richtig?

Das ist richtig, Sir.

Wenn die bewußte Person die Genitalien einer anderen Person berührte, wäre das – mit dem Ziel, sexuelle Erregung zu stimulieren oder zu befriedigen, wie in der Definition definiert – wäre das nach Ihrem Verständnis damals und heute...

Ja, Sir.

...sexueller Verkehr?

Ja, Sir.

Ja?

Ja. Wenn man mit solchen Körperteilen direkten Kontakt hat, wenn man direkten Kontakt mit dem Ziel der Erregung oder Befriedigung hat, würde das unter die Definition fallen.

Also machten Sie keines von diesen drei Dingen...

Sie...

... mit Monica Lewinsky?

Sie dürfen schließen, daß meine Aussage ist, daß ich keinen sexuellen Verkehr hatte, so wie ich diesen Begriff verstand.

Einschließlich Berühren ihrer Brust, Küssen ihrer Brust, Berühren ihrer Genitalien?

Das ist richtig.

In dieser Aussage log der Präsident dreimal unter Eid.

Während, vor und nach seiner Zivilaussage am 17. Januar 1998 versuchte der Präsident, vor dem Gericht im Verfahren Jones die Wahrheit über seine Beziehung zu Monica Lewinsky zu verbergen. Nach seiner Vorladung im Juli machte der Präsident gegenüber der Grand Jury am 17. August 1998 eine Falschaussage. Am selben Abend machte der Präsident erneut eine Falschaussage gegenüber dem amerikanischen Volk und dem Kongreß. Der Präsident hat eine Strategie verfolgt, im Januar 1998 das amerikanische Volk und den Kongreß zu betrügen, die strafrechtliche Untersuchung sieben Monate lang zu verzögern und zu behindern, und im August 1998 das amerikanische Volk und den Kongreß erneut zu betrügen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen