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Die Bildungsverschwörung

Die Stasi hat die westdeutschen Unis unterwandert – schreibt Dietrich Schwanitz in seinem Roman „Der Zirkel“  ■ Von Malte Hagener

Da sind sich alle einig: Die Ossis sind an allen gesamtdeutschen Problemen schuld – vom Rechtsradikalismus bis zur Umweltverschmutzung. Insofern ist die Tatsache, daß sie jetzt auch noch für die Bildungsmisere haftbar gemacht werden, wenig originell. In Dietrich Schwanitz' neuem Roman – der ehemalige Anglistikprofessor hat bekanntlich nach seiner gesundheitsbedingten Frühpensionierung eine Zweitkarriere als Universitätskritiker eingeschlagen – haben Stasi-Seilschaften westdeutsche Universitäten unterwandert, um damit Einfluß auf die bundesrepublikanische Realität zu erlangen. Ach, wäre die Stasi doch so blöd gewesen!

Der Zirkel heißt der Roman, und damit meint Schwanitz nicht nur den konspirativen Kreis der 20.000 IMs an westdeutschen Universitäten, sondern auch seine Kritiker. Diese entblößten mit ihren Angriffen nur sich selbst, denn die Kritik von links würde mit Hinweis auf „political correctness“ Argumente und Thesen verbieten und „mit ihren Konskriptionslisten geistige Hausdurchsuchungen“ anstellen. Somit prallt jeder Angriff von Schwanitz ab, der mögliche Kritik von vorneherein in sein System eingebaut hat und sich davon nur in seiner Meinung bestätigt sehen kann. Die abstruse Handlung der Räuberpistole um den an „vagabundierendem Donjuanismus“ leidenden Referenten des Wissenschaftssenators zusammenzufassen, ist müßig, da sich die spiegelbildlichen Verdoppelungen bald nur noch im Kreis drehen: Politik und Liebe, Intimität und Bespitzelung, Ost und West – alles existiert nur als Spiegelbild des Spiegelbilds, womit der Kreislauf ewig im System verbleibt. Die Systemtheorie als Passepartout, der alle Lebensbereiche mit einer Meta-Theorie erschließen will, versagt hier auch deshalb, weil die Guten gleich daran zu erkennen sind, daß sie Luhmann zitieren, und die Bösen daran, daß sie Posten wie den der Frauenbeauftragten bekleiden. Auch wenn sich alle als Machiavellisten zu erkennen geben, garantiert Erfolg im Ränkespiel doch nur der wahre Glaube: der an die Systemtheorie.

Ein bißchen Wildwest, ein bichen Jerry Cotton und vor allem Charaktere, die mit Sicherheit die gewünschte Kritik provozieren: Seinen Anfang nimmt der Roman mit dem Auftritt einer rechten Schlägerbande, der zum Tod der jüdischen Asta-Vorsitzenden führt. Später stellt sich heraus, daß eine Schauspieltruppe im Auftrag der Stasi handelte. Natürlich wird dies zu Pawlowscher Kritik führen und Schwanitz gestatten, sich einmal mehr als Opfer der Gedanken-Polizei aufzuführen.

Eigentlich eignen sich diese Spiegelfechtereien nicht für Romane, sondern in ihren dialoglastigen Ergüssen des ewig Gleichen höchstens für Seifenopern – auch damit läßt sich der eher mäßige Besuch des Films nach Schwanitz' Erstling Der Campus erklären. Es geht zwar zünftig um Macht und Sex, um Intrigen und Verschwörungen, doch wenn Charaktere Chandler-mäßig im Hafenbecken verschwinden oder ihrem Leben Barschel-artig in der Badewanne ein Ende setzen, dann besitzt das höchstens die Dramatik einer Folge Großstadtrevier.

Dietrich Schwanitz: „Der Zirkel“, Eichborn Verlag, Frankfurt/M. 1998, 448 Seiten, geb. 44 Mark

Lesung: heute, 19.30 Uhr, Geschäftsstelle Hamburger Abendblatt, Rathausmarkt 10

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