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Erziehung zur Obsession

■ Johann P. Tammen, Herausgeber der Literaturzeitschrift „die horen“, wird für seine mutige Publizistik ausgezeichnet

Hamburg hat einen bemerkenswerten Literaturpreis – er wird nicht an Autoren vergeben, sondern an risikobereite Verleger. Mit 20.000 DM, gestiftet von dem Ingenieur Karl-Heinz Zillmer, wird belohnt, wer dem literarischen Leben durch mutige publizistische Vorhaben neue Impulse gibt. Der alle zwei Jahre verliehene Karl-Heinz-Zillmer-Preis geht in diesem Jahr an Johann P. Tammen, den Herausgeber der Literaturzeitschrift die horen.

Der Lyriker Johann P. Tammen ist ein Mann mit berückender literarischer Leidenschaft, ohne die eine Zeitschrift nicht über Jahrzehnte lebendig sein kann. Er lernte den horen-Begründer Kurt Morawietz in den sechziger Jahren kennen, als er selber eine Veröffentlichungsmöglichkeit suchte. Seither arbeitete er an den horen mit, nach Morawietz– Tod übernahm er 1995 die Herausgeberschaft – zusammen mit einer fünfköpfigen Redaktion und einem Beirat. Seit zehn Jahren gibt er zudem die lesenswerte Poesie der Nachbarn in der Edition die horen heraus.

Anders als Schillers Monatsschrift Die Horen, die von 1795 bis 1797 existierte, erscheinen die horen nunmehr im 43. Jahr alle drei Monate. Hohe Aufmerksamkeit gilt der fremdsprachigen Literatur, z.B. der Armeniens, Koreas oder Indiens, daneben gibt es Themenhefte, beispielsweise zur Kriminal- oder Erinnerungsliteratur. Tammen, von der Jury als „litaririscher Kosmopolit“ gewürdigt, sieht die Stärke der Zeitschrift in ihrer Kontinuität: Weil sie bestimmte Kraftfelder aufbauen konnte, erweitere sich der Kreis der Autoren beständig. Das Profil der horen werde durch das Interesse an jungen Autoren bestimmt, denen man gleichsam einen Startplatz einräume, zudem lösten die horen ihr nachdrückliches Interesse an der Wiederentdeckung von Werken und Autoren ein und verbänden ihr großes Interesse an fremdsprachiger Literatur mit dem Ehrgeiz, sie in gelungenen deutschen Erstübersetzungen zugänglich zu machen. Tammen vergleicht Literaturzeitschriften mit Seismographen, die sondieren, welche literarischen Erzeugnisse bedeutsam sind. Noch vor den großen Verlagen werden die horen-Macher auf junge Talente aufmerksam und können diese unbekümmerter von Markttrends publizieren und so versuchen, selber Trends zu setzen: „Wir wollen die Leser in ihrer Vielheit zu obsessiven Lesern erziehen – also ihnen soviel Zumutbares servieren, daß sie mitgehen können.“

„In der Kontinuität aufregend bleiben – darin sieht der horen-Herausgeber eine beständige Herausforderung. Wie die Horen in der Ilias die Himmelspforten öffnen, erschließen Tammens horen die Vielheit des literarischen Kosmos. Der gestern verliehene Karl-Heinz-Zillmer-Preis ist für ihn Anerkennung und Ermutigung zugleich. Frauke Hamann

die horen. Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik, Wirtschaftsverlag Bremerhaven, 22 Mark

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