Was geht hier für eine Zaubershow ab?

■ Geboren in Bremerhaven, Wohnsitz Hollywood: Der Tricktechnik-Spezialist Volker Engel brachte „Godzilla“ das Laufen bei und verriet im Interview, was er mit seiner Heimatstadt vorhat und welche Hirnrisse er mit sich herumträgt

Er hat als 14jähriger mit einer Super acht seine erste Filmkamera gekauft und als 31jähriger seinen ersten Oscar erhalten. Der in Bremerhaven geborene Tricktechnik-Spezialist Volker Engel arbeitet seit zehn Jahren mit dem Regisseur Roland Emmerich zusammen. Nach „Moon 44“ und „Universal Soldiers“ schaffte es die Crew um Emmerich, mit „Independence Day“ den weltweiten Blockbuster des Jahres 1996 zu kreieren. Zur Deutschland-Premiere von Emmerichs „Godzilla“ kam der „Special Effects Supervisor“ Volker Engel jetzt in seine Heimatstadt und wurde im „Aladin“, dem größten Kino Bremerhavens, mit einer Galapremiere empfangen.

Von seinem Wohnort Hollywood aus erscheint ihm in Bremerhaven „alles ein bißchen grauer und ein bißchen steifer“. Zwei bis dreimal im Jahr meldet er sich trotzdem zurück – regelmäßig zu „Mutters Geburtstag“ oder um bei seinem ehemaligen Kunstlehrer vorbeizuschauen, den er als „Mitstreiter im Leben“ bezeichnet und der ihm im Unterricht alle Freiheiten gelassen hatte. Mit ihm hat er später auch um zwölf Flaschen Sekt gewettet, daß Engel den Oscar gewinnen werde.

Im Alter von sieben Jahren hat Volker Engel seinen ersten Film gesehen – es war „Godzilla und die Monster aus dem All“: „Ich war begeistert.“ Als Teenager folgten im heute längst geschlossenen „City-Kino“, in dem die Action-Filme liefen, sieben bis acht weitere „Godzillas“. Am 8. Oktober wird er zusammen mit Roland Emmerich für den eigenen „Godzilla“ von Bundespräsident Roman Herzog mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Seine größten Träume: Einen James-Bond-Film machen und irgendwann den „Star Wars“-Schöpfer Georg Lukas treffen, der ein ebenso besessener Workaholic ist wie er selbst. Unter den europäischen Gebäuden hat er schon den Eiffelturm ins Visier genommen, um ihn computergeneriert in Stücke zu schlagen. Aber auch für Bremerhaven hat er Katastrophen-Fiktionen im Kopf: Der Radarturm gefällt ihm gar nicht, und wie wäre es, wenn mitten auf der Szene-Meile, der Alten Bürger, ein Düsenjäger notlandete? Die Antwort gab Volker Engel im taz -Gespräch.

taz: Die Daumen der Kritiker zeigen bei „Godzilla“ nach unten. Da wird zum Beispiel das Drehbuch unverfroren als blutleer bezeichnet. Was sagst Du dazu?

Volker Engel: Mir ging es so: Die Geschichte von Independence Day war mir weitaus mehr ans Herz gewachsen, weil man eher die Möglichkeit hatte, sich mit den Leuten zu identifizieren. Da hatte sich eine Chemie zwischen den Schauspielern ergeben, die man im Drehbuch nicht finden konnte. Was die Qualität der Drehbücher angeht, sieht man zwischen den beiden Filmen gar keine großen Unterschiede. Irre viel ensteht erst beim Drehen. Und manchmal klappt es, und manchmal nicht.

„Harmloser Barbarismus“ wird dem Film vorgeworfen. „Godzilla“ sei nichts weiter als eine einzigartige Plattmach-Orgie. Da wälzt sich ein Urviech zwei Stunden lang durch New York, und am Ende wird es samt seiner Brut ausgerottet.

Aha. Das würde ich so nicht unterschreiben. „Godzilla“ ist eine Form von Popcorn-Kino, die es immer gegeben hat und immer geben wird. Was viele Leute immer vergessen ist: Kino kam mal vom Jahrmarkt mit all diesen Schaueffekten. Und genau das will ein Regisseur wie Ronald Emmerich mit diesem Film machen. Ich würde das jedenfalls nicht Barbarismus nennen.

Selbst die schärfsten Kritiker haben die tricktechnische Seite als echte deutsche Wertarbeit gelobt. Nur die Echse selbst erscheint ihnen im Unterschied zum japanischen Vorgänger als plump.

Ja, es ist schwieriger, ihn als tragische Figur zu behandeln, weil er ein schneller, wendiger Bursche ist und eben als Tier dargestellt wird. Da ist weniger Tragik drin als zum Beispiel bei King Kong. Ein Typ, mit dem man sich identifiziert, der das Mädel in Schutz nimmt. Godzilla ist einfach eine große Eidechse. Und mit der kann man sich kaum identifizieren.

Wer innerhalb weniger Jahre vom Hobby-Filmer zum Oscar-Preisträger aufsteigt, muß der nicht Angst haben, von diesem Erfolgsweg besoffen zu werden?

Eigentlich nicht. Zum Beispiel die Oscar-Verleihung. Ich sage mir da: Was geht hier für eine Zauber-show ab? Es ist ganz komisch. Du bist von Tom Hanks, Tom Cruise, bla, bla, quer durch die Bank umgeben, und das Ganze ist so surreal, da mußt Du einen klaren Kopf behalten, um nicht überzuschnappen, was vielen auch passiert. Da hilft mir der Roland ganz gut. Er hat auch so eine Distanz zu der ganzen Geschichte. Der Bursche hat sich, seit ich ihn kenne, nicht viel verändert, auch wenn er jetzt mal Millionen gescheffelt hat. Was Du bei mir mitkriegen wirst: Du kriegst im Lauf der Jahre eine gewisse Routine im Fragen beantworten und Interviews geben, im Umgang mit den Medien, weshalb ich jetzt hier so fröhlich herumplappere. Ansonsten bin ich immer noch befangen, was den ganzen Riesen-Trubel angeht.

War der Oscar der größte anzunehmende Glücksfall in Deinem Leben als Filmemacher oder eher das Ergebnis härtester Arbeit?

Genau das Zweite. Nach der Oscar-Verleihung saßen mein Co-Supervisor Duck Smith und ich wieder im Publikum. Wir hatten beide einen Oscar in den Händen. Wir schauten uns an und haben beide das gleiche gedacht: Eine gute Entscheidung, a good reward. Du hast so viel psychologischen Streß und Terror. Bei Independence Day hatten wir eine Dialogproduzentin, die uns sehr auf Trab gehalten hat, denn die Frau ist regelmäßig ausgerastet, und wir mußten den Film trotzdem fertig kriegen. Die letzten drei Monate der Produktion gingen wir auf dem Zahnfleisch. Deshalb schauten wir uns an und sagten, okay. Es war schweißtreibende Knochenarbeit.

Diese Arbeit hat für Dich mit 14 Jahren begonnen?

Mit 13 habe ich mir die ersten Filmbücher aus der Stadtbibliothek geholt.

Das fanden Deine Eltern wahrscheinlich verrückt?

Nee. Überhaupt nicht. Die fanden das ziemlich gut, daß ihr Junge nicht nachts mit irgendeiner Gang herumhängt, sondern daß er etwas hat, worauf er sich konzentriert. Schwierig in Bremerhaven war es, Kumpels zu finden.

Die mit Dir ins Kino gehen?

Nein, Kino war okay, aber zum Selbermachen hatte keiner Lust.

Du hast allein gearbeitet?

Ich habe es nur allein durchgezogen. Das Atelier – meine Eltern haben Kabuff gesagt – war neun Quadratmeter groß, es war der Dachboden über der Garage. Da habe ich fünf Jahre lang gehaust und an einem Projekt gearbeitet, das ich später an der Kunstakademie in Stuttgart gezeigt habe. Daraufhin wurde ich dort aufgenommen und habe anschließend Roland Emmerich kennengelernt.

Könntest Du Dir vorstellen, einen Film in Bremerhaven zu machen?

Ich kann mir komplett alles vorstellen. Wenn es ein Drehbuch wäre, das mit einer Super-Geschichte rüberkommt. Düsenjäger-Landung auf der Alten Bürger, das ist so ein Hirnriß von mir, aber trotzdem. Diese Verbundenheit ist so unglaublich wichtig, dieser Bezug schafft erst die nötige Energie, die man für so ein Projekt aufbringen muß.

Könntest Du Dir auch vorstellen, als Filmemacher nach Deutschland zurückzukehren?

Projektbezogen ja. Vor allem, weil es die Möglichkeit gibt, mit dem Nachwuchs zusammenzuarbeiten. Das macht einen Höllenspaß. Ich habe zwölf Studenten von der Filmakademie in Ludwigsburg bei „Independence Day“ dabeigehabt. Die haben alle eine Riesenarbeit abgeliefert. Das ist immer so, Du gibt's den Leuten eine Chance, und die wachsen über sich hinaus. Fünf sind wieder bei „Godzilla“ mit dabei gewesen. Ich wohne jedoch drüben momentan sehr gerne. Ich finde auch immer gute Bäckereien, in denen es vernünftiges Brot gibt. Lieken Urkorn gibt es jetzt auch im Supermarkt.

Fragen: Hans Happel