: Eko Stahl wird keine Tochter von Thyssen-Krupp
■ Obwohl das ostdeutsche Vorzeigeunternehmen Eko mit zum Paket gehört, hat der belgische Stahlkonzern Cockerill Sambre Probleme, einen potenten europäischen Partner zu finden
Eisenhüttenstadt (taz) – Noch am Morgen hatte alles nach einem ziemlich ruhigen Tag ausgesehen. Die Geschäftsleitung war nebenan gerade dabei, mit dem üblichen Schulterklopfen eine fünf Millionen Mark teure Neuanlage in Betrieb zu nehmen, als Betriebsrat Frank Balzer ein knappes Fax auf den Tisch flatterte: Thyssen- Krupp-Stahl wird kein Angebot für eine Beteiligung an Cockerill Sambre unterbreiten“, erklärte die Pressestelle des Duisburger Branchengiganten knapp. „Diese Entscheidung – die nach sorgfältiger Abwägung getroffen wurde – ist der wallonischen Regierung unverzüglich mitgeteilt worden.“ Datum. Punkt. Vier Zeilen, die völlig neue Konstellationen ergeben. Nur welche? Und: Was heißt das für die Eko Stahl GmbH?
Das Eisenhüttenstädter Werk ist eine 100prozentige Cockerill- Tochter. Die Fakten sehen so aus: Der belgische Stahlkonzern Cockerill Sambre ist seit Jahresmitte auf der Suche nach einem größeren, potenten Partner. Etwa 79 Prozent der Aktien werden derzeit von der wallonischen Regierung gehalten. Dieses Aktienpaket steht jetzt zum Verkauf.
Den Stahlriesen Europas erscheint es vor allem wegen der Cockerill-Tochter Eko Stahl interessant. Das ehemalige Kombinat hat sich zum modernsten Stahlstandort Europas gemausert. Nahezu alle großen Stahlhersteller, darunter British Steel, Hoogovens (Niederlande), Riva (Italien) oder die Salzgitter AG, haben ursprünglich ihr Interesse bekundet. Im Übernahmerennen kristallisierten sich schließlich zwei Favoriten heraus: Thyssen-Krupp und der französische Unisor-Konzern. Der Abgabetermin für ein Angebot wurde im August zum ersten Mal verschoben, dann bat Thyssen noch einmal um Fristverlängerung.
Warum sind die Duisburger jetzt abgesprungen? Als „den größten Coup seines Lebens“ hatte die Wirtschaftswoche die Pläne von Thyssen-Chef Ekkehard Schulz gefeiert. Mit der Übernahme von Cockerill Sambre wäre der Konzern mit einer anvisierten Jahresproduktion von 24 Millionen Tonnen zum größten Stahlhersteller Europas aufgestiegen. Der bisherige Branchenprimus British Steel (17 Millionen Tonnen) wäre plötzlich klar auf Platz zwei der Liga abgedrängt. Warum hat Schulz, der sonst peinlich darauf achtet, sich nicht zu früh aus der Deckung zu wagen, jetzt zurückgezogen? Geschätzte 1,5 Milliarden Mark dürfte der Kaufpreis für die Cockerill-Aktien betragen. Bereits niederländische Analysten hatten angezweifelt, daß sich die Übernahme tatsächlich als Superdeal erweist. Nachdem beispielsweise der niederländische Konzern Hoogovers den belgischen Übernahmekandidaten auf Herz und Nieren geprüft hatte, blieb außer Eko und der französischen Vertriebszentrale nicht mehr viel Positives übrig. Die Niederländer kalkulierten, daß zum Kaufpreis noch gut eine Milliarde Mark an Investitionen draufgelegt werden muß. Das könnte auch der Grund sein, daß Thyssen-Krupp jetzt ausgestiegen ist. „Wir haben die uns vorliegenden Daten ernsthaft geprüft und bewertet“, erklärt Vorstandssprecher Dirk von Mitzlaff.
Unklar ist jetzt, ob Unisor, der französische Konkurrent, noch bieten. Daß der Abgabetermin für die Angebote noch einmal verschoben wird, ist laut Balzer unwahrscheinlich. „Am 21. September wird definitiv entschieden, ob Cockerill mit Partner oder allein weitermacht.“ Die Börsianer zogen schon mal ihre Konsequenzen. Nach der Bekanntgabe des Thyssen-Krupp-Rückzugs brachen die Cockerill-Aktien um fast zehn Prozent ein. Nick Reimer
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