: Ermittlungen gegen Amtsvormünder von Flüchtlingen
■ Flüchtlingsrat beklagt „unterlassene Fürsorgepflicht“. Fünf Betreuer für 1.500 Jugendliche
Die Staatsanwaltschaft ermittelt in mindestens fünf Fällen gegen MitarbeiterInnen der Clearingstelle Treptow, die minderjährige Flüchtlinge als Vormünder betreuen. Der Vorwurf: unterlassene Fürsorgepflicht. Das sagte die Rechtsanwältin Christina Clemm gestern auf der Jahrespressekonferenz des Berliner Flüchtlingsrats. Clemm betreut drei der Fälle.
Seit 1996 übernimmt die Clearingstelle die Vormundschaft für alle minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlingskinder in Berlin. Ausgenommen sind nur Kinder, die Privatpersonen als Vormünder haben. Damit sind die fünf Treptower MitarbeiterInnen für mindestens 1.500 Kinder und Jugendliche zuständig. Der Flüchtlingsrat kritisiert seit langem, daß die Amtsvormünder die Interessen der Flüchtlingskinder „ungenügend, fahrlässig und skandalös“ vertreten. Ziel sei es, die Minderjährigen möglichst schnell aus Berlin zu entfernen. Dies habe die zuständige Jugendsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) auch wiederholt deutlich gemacht. Stahmer war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Die Vormundschaft ist von zentraler Bedeutung für die Zukunft der Flüchtlingskinder: Denn Minderjährige dürfen selbst keinen Asylantrag stellen und keine Klage gegen eine Ablehnung einreichen. Die Clearingstelle stelle für alle Betroffenen einen Asylantrag, so der Flüchtlingsrat, aber ohne Vorgespräche oder Vorbereitung auf die Anhörung. Es komme vor, daß der Amtsvormund zwar eine Klage einreiche, diese aber nicht begründe oder „sämtliche Fristen“ versäume. Klagen, die von Jugendlichen selbst mit Hilfe von Beratungsstellen erhoben wurden, hätten die Vormünder zurückgezogen. „Ein solches Asylverfahren ist kein rechtsstaatliches Verfahren mehr“, so Traudl Vorbrodt vom Flüchtlingsrat. In einigen Fällen soll nun gerichtlich gegen die Clearingstelle vorgegangen werden.
Der Flüchtlingsrat fordert die Rückübertragung der Amtsvormundschaften auf Einzelpersonen, Vereine und Wohlfahrtsverbände sowie die Anerkennung von kinderspezifischen Fluchtgründen. Denn diese sind meist nicht asylrelevant. Dem Flüchtlingsrat ist kein Kind bekannt, das als politisch verfolgt anerkannt worden ist. Sabine am Orde
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