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■ Algerien: Der UN-Bericht tut den Regierenden nicht wehZu kurz gegriffen

Es war eine Zangengeburt. Das ist dem gestern der Öffentlichkeit vorgestellten Bericht der Algerien-Delegation der Vereinten Nationen anzumerken. Jede Formulierung scheint Dutzende Male überarbeitet, damit alle sechs Delegationsteilnehmer das Papier unterschreiben konnten. Doch selbst die Kompromißformeln sprechen eine deutliche Sprache.

Algeriens Polizei und Armee sowie die staatlich unterstützten Selbstverteidigungsgruppen sind für willkürliche Erschießungen, Folter und das Verschwinden von Menschen verantwortlich. Etwas, was einheimische und internationale Menschenrechtsorganisationen seit langem beklagen, ist somit amtlich: Algerien ist weit davon entfernt, ein demokratischer Rechtsstaat zu sein. Mit dieser Feststellung hat die UN-Delegation die Erwartungen der Menschenrechtsgruppen erfüllt.

Leider haben sich die sechs vor einer Antwort auf eine andere entscheidende Frage gedrückt: Sie lassen offen, ob Armee und Polizei direkt in Massaker verwickelt sind. Sicher, eine solche Untersuchung war schon aus Zeit- und Personalgründen nicht zu leisten. Doch zumindest einige kritische Anmerkungen zum Thema hätten dem Delegationsbericht gut zu Gesicht gestanden. Hätte doch gerade dies weiteren Handlungsbedarf begründet und die Forderung der Menschenrechtsgruppen nach einer unabhängigen Untersuchung der Massaker gestärkt.

Den schwersten Vorwurf – den der Komplizenschaft bei den blutigen Greueltaten, die in sechs Jahren über 120.000 Menschenleben gefordert haben – aussparend, muß sich der Bericht der UN zwangsläufig auf eine Liste mit Empfehlungen beschränken, die zwar wichtig sind, mit denen die algerischen Machthaber und ihre internationalen Partner aber bequem leben können. Von mehr Rechtsstaatlichkeit, mehr Pluralismus und einer Stärkung der zivilen Elemente der Macht gegenüber den Militärs ist da die Rede. Alles lobenswerte Ziele. Wie weit sich Algier künftig bemüht, sie zu verwirklichen, darüber dürften nur schwer einheitliche Maßstäbe aufzustellen sein. So bleibt es jeder Regierung weiterhin überlassen, wie eng ihre Beziehungen zu dem nordafrikanischen Krisenland sind.

Algier kann so weitermachen wie gehabt. Und die nationale Aussöhnung mit all jenen, die, wie die verbotene Islamische Heilsfront (FIS), der Gewalt abgeschworen haben, bleibt weiterhin ein Wunschtraum. Ein Ende des blutigen Konflikts damit leider ebenfalls. Reiner Wandler

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