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Honigaufgüsse erleben!

■ „Oase im Weserpark“: Wo das Aquadrom war, wächst eine Erlebnissauna

Es war einmal ein Spaßbad. Da kamen viele Kinder hin, die brachten ihre Mütter mit und manchmal auch ihre Väter. Die Kleinen schrieen und tobten und spritzten Chlorwasser und aßen Pommes rotweiß, und alle 20 Minuten kam „die Welle“. Eines Tages schauten die Eltern in ihre Geldbörsen und sahen, daß diese leer waren. Da mußte das Spaßbad ganz plötzlich schließen.

Zwei Jahre ist es her, daß das Aquadrom am Weserpark dicht gemacht hat. Im November wird es wiedereröffnet. Aber der Spaß ist vorbei. „Oase“ heißt die im Durchmesser 50 Meter messende und 16 Meter hohe Glaskuppel mit einem Schwitz-Hüttendorf im Freien. Noch ist das ganze eine Großbaustelle, die aber gestern schon einmal der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Zu begehen war der Rohbau von „Europas größter Saunen- und Thermenlandschaft“. 15 Saunen, drei Tauchbecken, zwei Whirlpools, 200 Liegen, 1.000 Garderobenschränke. 4.500 Parkplätze!

Der damalige und auch heutige Geschäftsführer der Oase GmbH & Co. KG, Herr Steuernagel, findet, daß gewisse „gesellschaftliche Veränderungen in Richtung Polarisierung“ für den Niedergang des Aquadroms verantwortlich sind. Meint: Kinderreiche haben keine Kohle mehr. Die gehen, wenn überhaupt, in die hochsubventionierten städtischen Badeanstalten. Die neue Zielgruppe dagegen macht keinen Krach und hat – hoffentlich! noch! – Geld genug: die Gesundheitsbewußten, die Feierabendsportler, die Bodyshaper und die Saunagänger.

Nun ist der gewöhnliche Saunagänger ein eher langweiliger Mensch ab 40, der sich in dunklen Kisten aus genageltem Nut- und Federholz aufs Badetuch krampft, scheue Blicke wirft und nichts als schwitzen will. Von solchen Muffelköppen kann die Oase nicht leben, die, um die 10-Millionen-Investition wieder einzuspielen, tagtäglich 800 Besucher braucht.

Der untypische Saunagänger muß her. Solche Leute locken auch andere mit „Erlebnissen“ – in der Nachbarschaft das Erlebnisauto Smart, demnächst ein Großerlebniskino, dann Mc Donald's Erlebnisgastronomie usw... In der Oase darf man sich auf einiges gefaßt machen. Ausgebildete Saunameister werden vor 140 johlenden Schwitzern im weltweit größten Saunablockhaus „Honigaufgüsse“ zelebrieren und Obststücke reichen. Ein Fachmann wird in einem sibirischen Badehaus sibirisches Badeleben lehren (In diesem einen Punkt wollen wir Herrn Steuernagel nicht allzu ernst nehmen: „In solchen Häusern werden Kinder gemacht und gekriegt.“ Oder doch ernst nehmen?). Ganz hippe Leute dürften die Designersauna bevorzugen, wo ihre schwitzenden Körper vom hellen Licht edler Leuchtkörper angestrahlt werden.

Wer mit gewissen Ausstülpungen seines Leibes unzufrieden ist bzw. anderswo gern mit Ausstülpungen protzen würde, bedient sich des angrenzenden Fitness-Bereiches. Ebenfalls unter Glas schuftet man in der Kraftabteilung oder quält sich in einer Ausdauersportart (Laufband; Fahrradersatzgerät etc.). Hier wird neben „Problemzonentraining“ auch allerlei Ostasiatisches angeboten (Tai Chi, Qi Gong). An einer Bar kann man seinem Körper bestimmte „Nahrungsergänzungsstoffe“ zuführen, außer Wachstumshormonen aus der Viehwirtschaft, versteht sich.

Was jedem Besucher zuerst ins Auge fallen wird, nein: stechen, nein: schlagen, ist die Architektur der Unterglas-Erlebnislandschaft. Hier entsteht eine Kunstwelt, die in ihrem Zitatenreichtum mit allem Davorgewesenen bricht und eigentlich unbeschreiblich ist. Hie ein echt schiefer Turm von Pisa, ungelogen! Da die Anmutung eines römischen Forums. Türmchen schwingen sich in die Höhe, zum Ersteigen und Verweilen gedacht, über schwindelnde Brücken läßt sich zur Lichttherapie wandeln, vorbei an „antiken Badethemen“. Dann wieder lappt es voll ins Vorderasiatische. Der Wahnsinn!

Die Preise werden moderat sein. Einen Monat strampelt man ab 79 Mark. Drei Stunden schwitzt man für 30 Mark, einen Tag lang für unter 40. Umziehen ist gratis! Prognose: Der Entspannungsfaktor dürfte nicht allzu hoch sein. Aber man wird was erleben.

BuS

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