: Klagen in die Ems gerammt
Die niedersächsische Landesregierung hat beim Emssperrwerk Fakten geschaffen. Trotz anhaltender Proteste der Verbände startete sie gestern die Bauarbeiten ■ Von Jürgen Voges
Hannover (taz) – Auf der MS Warsteiner mit ihren grünweißen Segeln samt Brauereibeflaggung die geladenen Gäste, die Gegner des Emssperrwerkes – Fischer, Umweltschützer und Binnenschiffer – auf vier Booten: Das war die Szenerie auf der Ems östlich von Gandersum, als gestern gegen halb elf der erste Rammschlag für das umstrittene Sperrwerk stattfand. Während von einem Ponton aus der erste Pfahl für das 500-Millionen-Mark-Bauwerk in den Emsboden gerammt wurde, protestierten auch auf dem Emsdeich an die hundert Sperwerksgegner und Anwohner gegen das Sperrwerk, das künftig zuvörderst den Schiffen der Papenburger Meyer-Werft den Weg zu Dollart und Nordsee erleichtern soll.
Mit dem Starten der Ramme hätten der ausführende Gerhard Schröder und CDU-Politiker Rudolf Seiters der Ems gemeinsam den „den Todesstoß“ versetzt, klagten Umweltverbände aus Deutschland und den Niederlanden in einer gemeinsamen Erklärung. Sie erinnerten daran, wie ramponiert die Ökologie des Flusses durch immer neue Vertiefungen und die fortwährende Baggerei zugunsten der Meyer-Werft zwischen Papenburg und Emden bereits ist. Jetzt erhalte „der Fluß mit dem Startschuß für einen 32 Kilometer langen Stausee den Rest“. Die niedersächsischen Umweltverbände hoffen allerdings weiterhin, das Sperrwerk noch verhindern zu können. BUND, Nabu und WWF haben am Mittwoch beim Verwaltungsgericht Oldenburg Klage gegen den Planfeststellungsbeschluß eingereicht.
Auch wenn die Sperrwerksidee einst auf der Meyer-Werft geboren wurde, der Planfeststellungsbeschluß nennt als Hauptzweck des Bauwerks den Küstenschutz. Das Aufstauen der Ems auf 32 Kilometern für die Überführung immer größerer Meyer-Schiffe sei nur willkommener Nebenzweck. „Der Küstenschutz wurde als Grund vorgeschoben, um ein Beschwerdeverfahren der EU wegen unzulässiger Subventionierung der Werft zu verhindern und die Eingriffe in Vogelschutzgebiete zu rechtfertigen, die nach EU-Recht praktisch nur aus Gründen des Küstenschutzes ausnahmsweise erlaubt sein können“, sagt Vera Kornemann vom BUND Niedersachsen. In ihrer Klage haben die Umweltverbände darauf verwiesen, daß sich der vorgeschobene Hauptzweck Küstenschutz auch kostengünstiger und umweltfreundlicher verwirklichen lasse. „Die Alternative zum Sperrwerksbau – die Erhöhung der Emsdeiche – würde nur rund 50 bis 80 Millionen Mark kosten“, so Kornemann. Und der Nebenzweck, das Aufstauen der Ems, rechtfertige „das Sperrwerk juristisch nicht“.
Die Liste der umweltschädlichen Eingriffe und der Mängel des Planfeststellungsverfahrens, die die Klage der Umweltverbände gegen das Sperrwerk enthält, ist lang: So zerschneidet das Bauwerk das Nendorper Vorland, einen durch die europäische Vogelschutzrichtlinie geschützten Rast- und Brutplatz einer Reihe seltener Vogelarten.
Wenn die Ems hinter dem Sperrwerk aufgestaut wird, sollen hundert Kubikmeter Wasser pro Sekunde aus dem Dollart hinter das Sperrwerk gepumpt werden. Dann drohen nicht nur die Süßwasserbereiche im Dollart zu versalzen, auch in dem künstlichen Stausee könnte der Sauerstoffgehalt unter die für Fische kritische Grenze von vier Milligramm pro Liter sinken.
Einen „eklatanten Verstoß gegen verfahrensrechtliche Bestimmungen“ sehen die drei Umweltverbände zudem in den erheblichen Änderungen der Sperrwerksplanung, die nach dem Ende des öffentlichen Erörterungstermins im Januar dieses Jahres noch vorgenommen wurden. Ihrer Klage wollen sie demnächst einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung gegen dem Sperrwerksbau folgen lassen.
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