: Gut erhaltene Zähne
■ In Kleinwessek wollen Forscher eine steinzeitliche Bauernsiedlung ausgraben
Behutsam untersucht Nicole Graiewski eine Fuhre Erde. Jeder Stein, den sie findet, wird genau begutachtet; selbst kleinste Körnchen prüft die Kölner Studentin der Ur- und Frühgeschichte darauf, ob sie aus der Steinzeit stammen könnten. Seit drei Wochen nimmt Graiewski an Grabungen in Kleinwessek (Kreis Ostholstein) teil. Erst vor wenigen Tagen förderte ihr Forschungsteam einen menschlichen Unterkiefer und einige Kochsteine zutage, die Überreste einer steinzeitlichen Feuer-stellen sein könnten. Die Funde liefern neue Hinweise dafür, daß sich bei Kleinwessek vermutlich die älteste bislang entdeckte landwirtschaftliche Siedlung Schleswig-Holsteins befindet.
Rund 80.000 Einzelteile hat die Gruppe seit Beginn der Arbeiten 1996 gefunden, erzählt Grabungsleiter Sönke Hartz: „Der größte Teil davon waren Feuersteine, weil sie besonders lange erhalten bleiben.“ Aber auch rund 5.000 Jahre alte Tierknochen, Pflanzenreste und Holzstücke sowie Geräte aus dem Neolithikum gebe der Boden immer wieder frei.
Der Unterkieferknochen, bestückt mit sechs weißen und – der Diagnose eines Zahnarztes zufolge – kerngesunden Zähnen, sei der bislang besterhaltene menschliche Überrest, sagt Hartz. Inzwischen befindet sich der Knochen in einem physikalischen Labor der Kieler Universität, wo Wissenschaftler das Alter des Kiefers und das Geschlecht des Menschen feststellen wollen, dem er gehörte.
Noch bedeutsamer und möglicherweise folgenreicher ist für Hartz der Fund der Kochsteine. Denn in ihrer Nähe vermutet er Hinweise auf steinzeitliche Behausungen: „Ich schätze, auf den nächsten 20 Metern stoßen wir auf Reste von Haus- und Wohnbauten“, sagt der Forscher. Das wäre für ihn eine Sensation, denn „die kennen wir aus dieser Zeit bisher noch nicht.“ An der Größe der Anlagen ließe sich beispielsweise ablesen, wie viele Menschen darin lebten, ob sie Tiere hielten und wie die Siedlung strukturiert war.
Noch bis Oktober tragen die Forscher täglich gut acht Stunden lang Zentimeter für Zentimeter des torf- und sandreichen Bodens ab, schlämmen ihn aus, trocknen die Fundstücke und bringen sie zur Untersuchung nach Kiel. Über den Winter wollen sie ihre Arbeit einstellen; erst im April kommenden Jahres wird die nächste Kampagne beginnen. Die Stiftung Schleswig-Holsteinische Landschaft hat dafür bereits rund 100.000 Mark bereitgestellt. lno
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