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Hexenkessel Altona

Fatih Akin ist nicht „der Türke vom Dienst“, sondern ein verdammt guter Regisseur  ■ Von Malte Hagener

Ich bin kein türkischer Filmemacher. Ich bin einfach nur Filmemacher.“ Der das sagt, heißt Fatih Akin, und der könnte für den deutschen Film die Rolle spielen, die Cem Özdemir in der Politik oder Mehmet Scholl im Fußball innehaben – die öffentliche Anerkennung eines Zustands, der im täglichen Leben längst normal geworden ist.

Akins Spielfilmdebüt Kurz und schmerzlos zielt ohne Anbiederung mit einer solchen Selbstverständlichkeit auf ein breites Publikum, daß man sich im nachhinein wundert, weshalb immer mit den gleichen Erwartungen an deutsch-türkische Filmemacher herangetreten wird.

Im Gespräch wehrt sich Fatih Akin dagegen, als Vertreter einer bestimmten Gruppe dargestellt zu werden. Und wie bei allen guten Geschichtenerzählern spielen seine Stories vor dem Hintergrund, den er am besten kennt, und das ist nun einmal Altona, wo er aufgewachsen ist und immer noch lebt. In Kurz und schmerzlos geht es um eine Dreierbande: Der Türke Gabriel will nach einem Gefängnisaufenthalt straight werden; der Serbe Bobby plant, in die Albaner-Mafia einzusteigen; und der Grieche Costa weiß sich nicht zu entscheiden. Alte Loyalitäten binden die drei aneinander, so daß sie schließlich in die Tragödie steuern. Der Einfluß von Hexenkessel von Martin Scorsese, dem im Abspann gedankt wird, schimmert durch jedes Bild. Obwohl Akin betont, daß er die erste Fassung von Kurz und schmerzlos schon geschrieben hatte, bevor er Scorseses Meisterwerk gesehen hat.

Autobiografische Bezüge sind offensichtlich, ohne notwendige Referenzpunkte zum Verständnis zu sein. Die Eltern kamen Mitte der Sechziger nach Deutschland, 1973 wurde Fatih geboren. Zum Film wollte er immer, anfangs als Schauspieler, doch weil er immer nur den „Türken vom Dienst“ zu spielen hatte, mußte er sich eben selbst seine Rollen schreiben. Die Rolle des Gabriels entstand ursprünglich aus diesem Frust, doch nachdem er in seinem Kurzfilm Getürkt mit Mehmet Kurtulus ein Alter ego gefunden hatte, übernahm er nur noch eine kleine Rolle und konzentrierte sich auf die Regie. Das hat sich gelohnt: Auf dem renommierten Festival von Locarno wurden unlängst alle drei Hauptdarsteller ausgezeichnet, und ein großer Verleih bringt den Film im Oktober ins Kino.

Mit Selbstverständlichkeit zeigt er auch die Realität türkischer Familien in Deutschland, die den meisten deutschen Zuschauern fremd anmuten wird, ohne jedoch in „Tourismus“ zu verfallen, wie der Regisseur betont: „Wir kommen endlich aus der Subkultur heraus, besser zu spät als nie. Meine Kinder werden sich mit solchen Problemen nicht mehr herumschlagen müssen.“ Kurz und schmerzlos – ein außergewöhnliches Stück Normalität.

„Kurz und schmerzlos“ läuft nächste Woche auf dem Filmfest Hamburg und kommt danach regulär in die Kinos.

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