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Sowas macht sonst niemand

■ Die Bands „Alboth!“ und „Helgoland“ spielten in der Buchtstraße neue Musik

Leider war es mal wieder nicht so richtig voll im kleinen Beatkeller in der Buchtstraße. Karg beworben und ohnehin nicht massentauglich, wurde auch das Konzert von „Alboth!“ und „Helgoland“ am Donnerstag abend eher ein familiäres Treffen. Das schlägt sich wiederum als Skepsis bei den Musikern nieder, die wegen des umständehalber nicht sonderlich lauten Applauses an der Zuneigung des Publikums zweifeln. Jeder einzelne hämische Zwischenruf durchdringt unüberhörbar die Stille zwischen den Stücken, keine kleinen Mädchen kreischen vor Begeisterung und die großen auch nicht.

Helgoland wirkten irritiert. Vielleicht tun sie das aber auch immer, wenn sie sich unter Menschen befinden. Jedenfalls hätten sie sich durchaus wohlwollend aufgenommen fühlen dürfen. Ihre Miniaturen aus verquerer Rhythmik, dadaistischen Grindcore-Ausbrüchen, schrulligen Keyboard-Sounds und eingestreuten Dreistigkeiten war hoch unterhaltsam und von einem musikalischen Witz geprägt, der an fortschrittliche Bolzbands der frühen Neunziger erinnerte.

„Alboth!“ haben auch so eine Vergangenheit. Metal, Grindcore, Krach. Aber bei ihnen wurde das alles durch die Ohren geschulter Jazz-Musiker gefiltert. Nach ein paar Platten, auf denen sie sich mit klassischer Jazztrio-Besetzung auf sauschnelle und ziemlich kurze Kompositionen stürzten, die Titel wie „Diego Maradona“ trugen, erweiterten sie ihren musikalischen Kosmos in Richtung zeitgenössische Avantgarde der ernsten Art. Erst kürzlich veröffentlichten sie eine monumentale Platte namens „Amor Fati“, die, wie die Schweizer jüngst in einem Interview bekannten, auf einer Zwölftonreihe basiert und eigentlich von ziemlich unverschämter Grandezza ist.

„Alboth!“ überraschten bei ihrem Buchtstraßen-Konzert mit der Mitteilung, sie würden jetzt fünfzig Minuten neue Musik von „Alboth!“ spielen, was zum einen ziemlich wenig ist, und zum anderen hätten es die „alten“ Sachen ja auch getan. Nun haben sich aber in jüngster Vergangenheit Bassist und Keyboarder von den „Alboth!s“ getrennt und wurden durch einen Gitarristen ersetzt. Also haben „Alboth!“ flugs ein neues Programm erarbeitet, das am Donnerstag zum allerersten Mal öffentlich zu hören war. Zwar gab es in der Mitte des Sets einige amorphe, langsame Strecken, die nicht so überzeugend gerieten, aber am Anfang, und vor allem bei den letzten Stücken spielten sie enorm verschachtelte Rhythmen und krachige Ausbrüche. Sowas wie diese Kombination Schlagzeug, Gesang, gebrochene Takte und neologistischer „Rap“ macht sonst niemand! Beim nächsten Mal hört Ihr Euch das bitte selbst mal an! Andreas Schnell

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