: Revision der Coolness-Codes
■ Nach Pop und Fußball wendet sich Nick Hornby in „About A Boy“ nun dem letzten Männer-Thema zu: Kind und Familie
Will Freeman heißt nicht umsonst so. Er ist ein Thirty-Something, der von den Tantiemen eines Weihnachtslieds lebt, das sein Vater einst geschrieben hat. Familie ist nicht seine Sache und über Babies, erste Gehversuche und das ganze Zeug zu plappern, ödet ihn an. Was aber fängt man den lieben langen Tag an, wenn man keinerlei Verpflichtungen hat? Will Freeman nimmt ein Bad, löst ein Kreuzworträtsel, räumt die Wohnung auf. „Er hatte tatsächlich ein Stadium erreicht, in dem er sich fragte, wie seine Freunde Leben und Arbeiten unter einen Hut brachten. Das Leben kostete soviel Zeit, wie konnte man da am selben Tag arbeiten und Zeit für ein Bad finden? “
Da Will Freeman die Hauptfigur in Nick Hornbys neuem Roman About A Boy ist, interessiert er sich natürlich für Pop, Mode und Fußball. Doch wie soll ein 36jähriger Popfan eine attraktive, geistreiche und selbstbewußte Frau kennenlernen, wenn er alles, was diese für Leben halten, geschickt ausgesperrt hat? Will hat die Idee: Er erfindet sich einen Sohn und eine geschiedene Ehe, um sich an alleinerziehende Mütter in einer Selbsthilfegruppe heranzupirschen.
Das klappt nicht sonderlich gut. Nicht nur, weil er sich in ein Lügengebilde aus Babysittersorgen, Vaterliebe und Sorgerecht-Streitigkeiten verstrickt, sondern auch weil die verlassenen Mütter keine Lust mehr auf Männer haben. Statt dessen hängt sich der zwölfjährige Marcus wie eine Klette an ihn. Der hört Joni Mitchell, trägt selbstgestrickte Pullis und ist auch ansonsten vollkommen uncool. Doch Will gewöhnt sich an die täglichen Besuche. Sie gucken sich Soaps im Fernsehen an, und nebenbei bringt er dem Jungen ein paar Coolness-Codes bei. Daß die beiden am Ende fast Freunde werden und daß Will tatsächlich eine Frau abkriegt, ist beinahe nebensächlich. Denn Hornby trotzt dem odd couple eine komische Geschichte über die Tragfähigkeit jugendkultureller Codes für Mittdreißiger ab. Er erzählt - wie schon in Fever Pitch über einen Fußball-Fan und in High Fidelity über einen Popfan - auch diese Geschichte in einfachen Sätzen. Vor allem aber stattet der ehemalige Lehrer seine Anti-Helden mit frappierender Selbstironie aus. Sie hat bisher noch jedes Buch des Engländers zu einem großen Spaß werden lassen. Das kann man ja beileibe nicht von vielen Büchern behaupten.
Volker Marquardt
Nick Hornby: „About A Boy“, Kiepenheuer & Witsch, Köln 1998, 310 Seiten, geb, 39.80 Mark
Lesung: morgen, 19.30 Uhr, Talmud-Thora-Schule, Grindelhof 30
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen