Sicherer Erststaat Republik Togo

■ Bremen schiebt erneut in Diktatur ab / Asylgruppe befürchtet Repressalien / Zwei abgelehnte Asylbewerber sind auf der Flucht

Der junge Togoer Madjri Ohin ist abgeschoben worden. Nach Angaben des Ausländeramtsleiters Dieter Trappmann wurde einem letzten Asylfolgeantrag des Mannes am Donnerstag nicht stattgegeben. Dieser war „offensichtlich unschlüssig“. Unter dieser Voraussetzung darf das Ausländeramt ohne einen weiteren Entscheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abschieben.

Madjri selbst behauptet jedoch, Jean Olympio, Neffe des bekannten Oppositionspolitiker Gilchrist Olympio zu sein (wir berichteten). Aus diesem Grund befürchtet die Asylgruppe Ostertor, daß der junge Togoer bei seiner Ankunft in der Hauptstadt Lome mit massiven Repressalien durch das diktatorische Eyadema-Regime rechnen muß. Auf seinen angeblichen Onkel wurden bereits mehrfach Anschläge verübt. Einen davon überlebte der oppositionelle Präsidentschaftsanwärter nur schwer verletzt.

Diese Identität nehmen die Bremer Behörden dem Mann aber nicht ab. Unter insgesamt vier Identitäten habe er Asylanträge gestellt. Dies lasse sich mit Fingerabdrücken nachweisen. Zudem seien die neuen Beweise, die dem Asylfolgeantrag vom Mittwoch angefügt waren, nicht schlüssig gewesen. Trappmann: „Der Mann ist von einem Wissenschaftler auf einem Foto angeblich als Jean Olympio identifiziert worden. Allerdings existieren keine Beweise, was für ein Foto der Zeuge gesehen hat. Zudem hatte dieser zuletzt Kontakt mit dem Togoer, als er noch 13 Jahre alt war.“

Auf der anderen Seite existieren auch unschlüssige Aussagen, die belegen sollen, daß es sich um Madjri Ohin handelt. So hat seine angebliche Ex-Frau aus Bremerhaven falsche Angaben zu einer Tätowierung gemacht. Zudem liegen der taz das Foto des Mannes sowie die Zeugenaussagen dazu vor. Dies wird auch von dem Bremer Pastor Erich Viering bestätigt. Viering war lange Jahre für die Norddeutsche Mission in Togo tätig und kennt den Zeugen, der in der Öffentlichkeit anonym bleiben will, als seriösen Wissenschaftler. Und noch ein zweiter Punkt läßt aufhorchen. Der Togoer soll in der Abschiebehaft in Oslebshausen geschlagen worden sein. Zumindest hat sein Anwalt Sven Sommerfeldt Strafanzeige gegen einen Vollzugsbeamten erstattet. Jetzt vermutet Sommerfeldt, daß in der Sache „der Hauptzeuge mundtot gemacht werden soll“.

Diese Abschiebung zeigt zumindest ein weiteres Mal, wie streng nach dem Buchstaben des Gesetzes in Bremen mit Asylsuchenden umgegangen wird. Ein ähnliches Schicksal teilt auch der 18jährige Abbas A. Der durch den Einsatz seiner MitschülerInnen bekanntgewordene Togoer ist derzeit zur Fahndung ausgeschrieben. Es soll ihm aber den Umständen entsprechend gut gehen. Wenn die Polizei ihn jedoch aufgreift, wird er ebenfalls abgeschoben. Auch er rechnet mit harten Repressalien seitens des Eyadema-Regimes in Togo. Viel zynischer präsentiert sich seine beschlossene Abschiebung aber vor dem Hintergrund, daß Abbas A. in Bremen verlobt ist. Lediglich wenige Dokumente aus Togo fehlen, und der junge Mann kann seine Freundin Birte Fischer heiraten, was ihm einen vorläufigen Aufenthaltsstatus sichern würde, der später unbegrenzt verlängert werden kann. Dies bringt die Behörden aber nicht von ihrem Ausreisebeschluß ab.

Das gilt auch für einen weiteren Fall: Genauso wie Abass hält sich derzeit auch der 18jährige Ayao C. versteckt. Er sollte am 14. September freiwillig ausreisen. Als er zu dem Termin nicht erschien, wurde die Fahndung eingeleitet. Er hat keine Angehörigen in Ghana, dennoch ist sein Asylverfahren negativ beschieden worden. Von daher wäre es nur recht, wenn er ausreisen würde. Dennoch sieht die Sachlage anders aus. Sein Bruder, der mit einer deutschen in Bremen verheiratet ist, würde vollständig für seinen Lebensunterhalt aufkommen, bis Ayao C. in etwa einem Jahr seinen Hauptschulabschluß gemacht hat. Die Prognose der Schule ist positiv, die Behörden sind jedoch unerbittlich.

Es gäbe zwei rechtliche Möglichkeiten, Ayao C. eine Aufenthaltserlaubnis zu gewähren. Nach Paragraph 22 Ausländergesetz geht dies, wenn es sonst zu einer „außergewöhnlichen Härte“ kommt. Nach Paragraph 55.3, wenn „dringende humanitäre oder persönliche Gründe“ vorliegen. Beides ist bei Ayao C. nicht gegeben, so die Behörde. Eine außerordentliche Härte nach Paragraph 22 sei etwa eine Großmutter, die sich selbst nicht mehr versorgen kann und darum zu ihren Verwandten in Deutschland nachziehen darf.

Unterdessen liegt der taz ein neues Papier von amnesty international vor, das Menschenrechtsverletzungen in Togo von Januar bis Juli dieses Jahres dokumentiert. Darin sind allein 34 Punkte bekanntgewordener Übergriffe aufgelistet, die teils auch mehrere Menschen betreffen. Zusätzlich hat das US State Department einen Bericht zur Menschenrechtslage in Togo veröffentlicht. Dieser stellt fest, daß es in dem Land zu politisch motiviertem Mord, Folter und andere Formen unmenschlicher Behandlung, illegalen Festnahmen und Inhaftierungen, Verweigerung eines fairen, öffentlichen Prozesses sowie zur Verletzung der Pressefreiheit kommt.

Vor diesem Hintergrund muß die Bremische Bürgerschaft am kommenden Mittwoch über einen Antrag der Grünen abstimmen. Dieser sieht einen generellen Abschiebestopp nach Togo vor. Dies ist nach Paragraf 54 Ausländergesetz für sechs Monate möglich. Es ist aber zu erwarten, daß der Antrag mit den Stimmen der großen Koalition abgelehnt wird. Jens Tittmann