piwik no script img

Der seemännisch korrekte Dreh

■ Heute werden die 30 Meter langen Rahen der Viermastbark „Passat“ in Travemünde von ukrainischen Kadetten gebrasst

Alten Fahrensleuten ist es schon lange aufgefallen: Irgendetwas stimmt nicht mit der „Passat“, seit sie im Mai aus der Werft an ihren Liegeplatz in Travemünde zurückgekehrt ist. Sie liegt wie auslaufbereit mit dem Bug zum offenen Meer, aber ihre Rahen zeigen zum Land. Doch am heutigen Dienstag hat es damit ein Ende. Dann werden die Rahen gebrasst, damit die stolze Viermastbark wieder seemännisch korrekt am Priwall liegt.

Um es auch für Landratten verständlich auszudrücken: Die Rahen, die Segel-Querträger an den Masten, werden so gedreht, daß sie an Backbord, also an der linken Seite der Masten, statt wie bisher an der rechten Seite anschlagen. „So wie sie jetzt liegt, sieht sie zwar für Fußgänger auf der Travepromenade imposant aus. Schiffe, die von See kommen, sehen dagegen nur vier Streichhölzer“, bemängelt der Wachoffizier der „Passat“, Günther Runge. „Wenn die Bark Travemündes Wahrzeichen ist, muß sie sich auch den hereinkommenden Schiffen in voller Schönheit zeigen“, findet Runge.

Deshalb werden nun 30 Kadetten von dem zur Zeit in Travemünde liegenden ukrainischen Großsegler „Khersones“ sich der Sache „für ein paar Kisten Bier“ annehmen. „Wir wurden gefragt, ob wir zehn Leute schicken können“, berichtet der Erste Offizier der „Khersones“, Alexander Nadtochenko. Aber er wolle lieber 30 Mann schicken. Denn erstens sei das Brassen der rund 30 Meter langen Rahen Knochenarbeit. „Und zweitens sollen doch möglichst viele Besatzungsmitglieder die Chance haben, dieses schöne, alte Schiff mal aus der Nähe zu erleben.“

Die „Passat“, die der Hansestadt Lübeck gehört, war im Mai an ihren Liegeplatz zurückgekehrt. Zuvor war der 1911 für die Hamburger Reederei Ferdinand Laeisz gebaute Segler für 7,2 Millionen Mark auf der Lübecker Flender Werft saniert worden. Die „Passat“ ist das letzte Schiff aus der legendären Flotte der „Flying P-Liner“ der Reederei. Ihr Schwesterschiff „Pamir“ war am 21. September 1957 in einem schweren Sturm untergegangen. 80 Seeleute fanden damals den Tod.

Eva-Maria Mester

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen