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Kampf gegen Börsen-Hauptstadt

Obwohl die Frankfurter Börse den deutschen Markt beherrscht, glauben die kleinen Regionalbörsen von Hamburg bis München noch immer an ihre Chance  ■ Von Hermannus Pfeiffer

Die Börse Frankfurt spielt längst in einer höheren Liga als die Regionalbörsen: Auf 90,5 Prozent beziffert die Deutsche Börse AG in Frankfurt ihren nationalen Marktanteil im Handel mit den wichtigen Dax-Aktien. Davon unbeirrt, glauben weiterhin sieben Regionalbörsen an ihre profitable Zukunft – dabei haben einige Experten sie längst totgesagt. Kein Wunder: Kooperationsabkommen mit den Börsen in London oder Wien deuten an, daß sich Frankfurt längst nach Europa orientiert.

Besonders der Schulterschluß mit Wien wird den Frankfurtern übelgenommen. Das Abkommen zielt insbesondere auf den Markt in den Gebieten der früheren Donaumonarchie in Osteuropa, wobei die Frankfurter Börsianer mit der Grenzziehung nicht pingelig sein werden. Das ärgert besonders die Berliner Wertpapierbörse, die den Handel mit Aktien aus Ost- und Mitteleuropa bislang als ihre Domäne betrachtete: Inzwischen werden rund 100 Werte aus diesen Ländern in Berlin gehandelt.

Kaum konnte die Hauptstadtbörse die Marktnische erfolgreich erschließen, scheint nun eine Achse Frankfurt-Wien das Ostgeschäft zukünftig dominieren zu können: „Wir wollen eine Qualitätsbörse für Osteuropa-Aktien“, erklärt ein Sprecher der Deutschen Börse. Dagegen sei der Berliner Ostmarkt wie eine „Spielbank“. Die Frankfurter werfen den Berlinern fehlende Qualitätsstandards bei der Auswahl von Wertpapieren aus Bulgarien oder Rußland vor.

Der jüngste extreme Kursrutsch in Berlin notierter Ostwerte scheint die Kritik vom Main zu stützen. Allerdings sind auch „Qualitätswerte“ vor dem Auf und Ab der Börsenkurse nicht sicher – eine bis vor kurzem fast vergessene Binsenweisheit.

Die Regionalbörsen kontern solche Frankfurter Attacken mit dem Hinweis auf die „Nachtrabpolitik“ des Branchenprimus. Kaum hätten die Regionalbörsen die Handelszeiten bis 17.59 Uhr verlängert (nach 18.00 Uhr kann das zentrale Frankfurter Rechenzentrum keine Aufträge mehr bearbeiten), da zog die Frankfurter Börse schon nach.

Kaum erlaubten die Regionalbörsen auch den Handel schon ab einer einzigen Aktie, zöge Frankfurt wieder nach. Was insbesondere Privatanlegern dient, deren Orders bislang mit teilweise erheblichem Zeitverlust bearbeitet worden sind, da ein Kauf oder Verkauf etwa von Daimler-Aktien erst zustande kam, wenn mindestens 50 Stück bewegt wurden. Und an der Börse ist Zeit schließlich Geld.

Frankfurt sieht sich dagegen in einer aktiven Rolle. Von der Gründung des „Neuen Marktes“, der mittelgroßen Firmen den Börsenzugang erleichtern würde, über internationale Kooperationen bis hin zum elektronischen Handel in globalen Dimensionen. Die Deutsche Börse gibt sich in bester Bullen-Laune: Es ist nur eine Frage der Zeit und der Politik, bis die Regionalbörsen diesem ökonomischen Druck weichen müßten, heißt es optimistisch aus der Finanzhauptstadt am Main.

Trotz des Drucks denken die Regionalbörsen noch nicht an große Kooperationen untereinander oder gar mit dem Ausland, sie setzen lieber auf allerlei Spezialitäten: Berlin auf Auslandsaktien aus aller Welt, Hannover und Hamburg auf ihre Warenterminbörse mit Kontrakten auf Schweine und Kartoffeln, und München setzt auf einen eigenen neuen Markt („Prädikatsmarkt“) mit erleichterter Zulassung für börsenwillige Firmen. Wenn auch die lokale Kundschaft noch immer eine wichtige Rolle spielt, operieren die Regionalbörsen in Deutschland längst nicht mehr ausschließlich in ihrer Region.

Die Auseinandersetzung um die Regionalbörsen findet auch innerhalb der Großbanken statt. Denn die sind einerseits Gesellschafter der Deutschen Börsen AG, andererseits aber auch in den meisten Börsenvereinen vertreten, die die privaten Träger der öffentlich- rechtlich organisierten Regionalbörsen sind.

Trotzdem will Stuttgart bei Optionsscheinen sogar Frankurt direkt Paroli bieten, mit einem Marktanteil um die 40 Prozent beansprucht der Börsenaufsteiger in den neunziger Jahren sogar die Marktführerschaft. Abgesehen von Düsseldorf, das vom nationalen Finanzplatz früherer Tage in eine rein lokale Bedeutung abzurutschen droht, geben sich die Regionalbörsen erfolgreich: Zwar mache Frankfurt den wertmäßig größten Umsatz, aber die Mehrzahl der einzelnen Kontrakte werde weiterhin über die sieben Kleinen abgewickelt.

Solche Zahlen illustrieren eine wirkliche Spezialität der Regionalbörsen – den Kontakt zu kleinen Privatbanken, örtlichen Sparkassen und der heimische Wirtschaft. Bislang wird im verstaubten deutschen Finanzwesen innovativen Unternehmen immer noch lieber ein teurer Kredit verkauft, als Investitionen über einen kleinen Börsengang zu finanzieren. Idealer Nährboden für frisches Kapital für Kleine könnten zukünftig modernisierte regionale Börsen sein – als Handelsplatz und als Berater.

Dieses Konzept böte sich sicher auch im Osten an, mit einer Börse in Dresden, Leipzig oder Rostock. Bislang gibt es die in den neuen Bundesländern noch nicht. Trotzdem traut sich so recht keine Partei ran an diese Frage: Die Bundesregierung will ohnehin gerne alle Regionalbörsen schleifen, da gibt es keine Chance für eine neue Börse im Osten. Ohnehin wäre so eine Neugründung „eine Sache des Marktes“, heißt es dazu aus der Bonner CDU. Dem konservativen Marktglauben setzt die PDS überwiegt ihre grundsätzliche Skepsis gegenüber allem „Spekulantentum“ entgegen. Allein die Grünen forderten bereits 1996 im Bundestag zwar keinen Handelsplatz, aber immerhin eine Infobörse. Die könnte beispielsweise in Leipzig angesiedelt werden, schlägt die grüne wirtschaftspolitische Sprecherin, Margareta Wolf vor, und Kapital suchende Firmen mit risikofreudigen Anlegern zusammenbringen. Doch die grüne Idee stieß auf keine Gegenliebe.

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