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Rußlands Regierung strampelt wieder für die Wende

■ Rubelpresse rollt an, Handel aber gleich wieder ausgesetzt. Kohl: „Die Richtung stimmt“

Moskau/Bonn (rtr/AP) – Die russische Zentralbank hat fast eine Milliarde frische Rubel (rund 111 Millionen Mark) drucken lassen. Wie der erste stellvertretende Chef der Bank, Andrej Koslow, am Montag in Moskau vor Journalisten erklärte, wurden damit angeschlagenen Banken Sofortkredite gewährt. Damit wird die Behebung der weitverbreiteten Zahlungsunfähigkeit unter den russischen Banken über die Bekämpfung der Inflation gestellt.

Die frischen Rubel sind nur ein Teil der Maßnahmen. Zeitungen hatten am Wochenende berichtet, die Zentralbank habe von den Privatbanken Schatzbriefe aufgekauft, die derzeit praktisch wertlos seien. Koslow sagte, wegen der Finanzkrise seien bei den Banken Rückstände in Höhe von 30 Milliarden Rubel entstanden. Die Zentralbank habe mit einem Drittel dieser Summe ausgeholfen.

Die russische Regierung ist nach Ansicht von Bundeskanzler Helmut Kohl mit ihrem Reformprogramm auf dem richtigen Kurs. „Die Richtung stimmt“, sagte Kohl gestern in Bonn. Der Westen müsse sich allerdings an den Gedanken gewöhnen, daß die Reformen nicht so schnell greifen könnten, wie von manchem erhofft. Kohl bekräftigte, daß Rußland vorläufig mit keinen neuen Finanzhilfen des Westens rechnen könne.

Die Moskauer Devisenbörse sieht jedenfalls die Krise noch nicht überwunden: Der Rubelhandel ist am Montag bereits nach acht Minuten eingestellt worden. Der Handel solle erst am Dienstag wieder aufgenommen werden, meldete die Nachrichtenagentur Interfax. Die russische Währung fiel erneut. Für einen Dollar wurden zwischen 18 und 18,5 Rubel gezahlt. Die Banken, die nicht an der Verrechnung der gegenseitigen Schulden am Freitag teilgenommen hätten, sollen künftig nicht mehr zum Devisenhandel zugelassen werden, teilte die Zentralbank mit. Westliche Kreditinstitute, die vom Mitte August angekündigten Zwangsumtausch der Anleihen ebenfalls schwer getroffen wurden, hatten wiederholt gegen eine bevorzugte Behandlung russischer Banken protestiert. Bei der Verrechnungsaktion am Freitag mußten die Banken ihre Kontenkarteien der Zentralbank übergeben.

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