■ Die Polizei überwacht die Telefone von Journalisten: Im Zweifel gegen die Pressefreiheit
Dürfen Journalisten bei ihrer Arbeit polizeilich überwacht und ausgespäht werden? Zuletzt spielte diese Frage bei der Debatte um die Einführung des Großen Lauschangriffs im Frühjahr dieses Jahres eine Rolle. Die Töne waren laut und heftig. Laut genug jedenfalls, um im letzten Moment überraschend noch gewisse Sonderkonditionen zu erreichen.
Der Zielkonflikt zwischen polizeilicher Strafverfolgung und den schützenswerten Interessen von Berufsständen wie Ärzten, Anwälten, Geistlichen und Journalisten, für die eine besondere Vertraulichkeit Grundvoraussetzung für die Berufsausübung ist, wird damit jedoch nicht beseitigt. Der Konflikt wird restlos auch nie zu beseitigen sein. Mehr noch, als es ohnehin gefordert werden muß, ist deshalb hier eine besonders sorgfältige Güterabwägung nötig.
Ob Polizeien und Staatsanwaltschaften dazu allerdings gewillt sind, ist zu bezweifeln. Der aktuelle Vorgang um die Telefonüberwachung einer Stern-Journalistin, um den Aufenthalt des ehemaligen Terroristen Hans-Joachim Klein zu ermitteln, zeugt davon. Auf den ersten Blick scheint die Sache klar. Wann, so mag man fragen, sollte eine solche Maßnahme gerechtfertigt sein, wenn nicht zur Aufklärung von schweren Gewalttaten wie dem blutigen Überfall auf die Wiener Opec-Konferenz 1975 und zur Festnahme eines beteiligten Täters? Doch der Fall liegt nicht so einfach. Es ist inzwischen bekannt, daß Klein kurz davor stand, sich zu stellen. Und die Behörden wußten dies. Daß die Strafverfolgungsbehörden die Überwachung dennoch beantragten und dafür grünes Licht bekamen, ist also äußerst bedenklich.
Daß die Polizei nicht die Gespräche der Journalistin direkt abhörte, sondern lediglich die Verbindungsdaten ermittelte, ist nur ein Trick und macht die Sache nicht besser. Zumal in einem ähnlichen Fall von 1995 – es ging um die Fahndung nach dem Baupleitier Jürgen Schneider – noch eine Beschwerde des ZDF beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist. Die Frage, ob die Pressefreiheit durch solche Fahndungsmaßnahmen aktuell bedroht ist, wird da schon eher nebensächlich. Denn der Vorgang zeigt, wieviel sie im Konfliktfall tatsächlich wert sein wird. Wenn Strafverfolgungsbehörden sich wissentlich in rechtliche Grauzonen begeben – schlimmer noch, sie bewußt ausnutzen, um eigenes Recht zu setzen –, sind am Ende weder Pressefreiheit und besondere Vertrauensverhältnisse noch Bürgerrechte insgesamt etwas wert. Das Bundesverfassungsgericht muß also schnell zu einer Klärung kommen. So oder so. Otto Diederichs
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