: Höflicher Quatsch
■ GALier greift Landeswahlleiter an: Vorschriften sind sehr wunderlich
Der GAL-Verfassungsexperte Martin Schmidt ist mit dem Hamburger Landeswahlleiter nicht das geringste bißchen zufrieden. Wolfgang Prill (SPD) macht eigentlich alles falsch, findet er. Folglich fürchtet Schmidt für den kommenden Wahlsonntag Unbill auf breiter Front: Konfusion, Wahlhelfer die nicht helfen und viele, viele ungültige Stimmzettel.
Grundlage der Aufregung ist das dieses Mal komplizierte Verfahren. Die Hamburger Wahlbürger sind nicht nur aufgerufen, ihre Stimme für den Bundestag abzugeben, sondern auch für die Volksgesetzgebung. Also: Erst- und Zweitstimme für oder gegen Kohl & Co, zwei Kreuzchen für oder gegen zwei Entwürfe zu Volksentscheiden plus zwei für selbige zu Bürgerentscheiden (Volksabstimmungen auf Bezirksebene). Summa summarum: Sechs Kreuzchen sind möglich. Bundestagswahl- und Volksgesetzgebung-Zettelchen müssen selbstredend in verschiedene Umschläge gesteckt werden.
Was aber, wenn man die Umschläge ob der vielen Kreuzchen verwechselt? Dann sind die Stimmen umgültig, sagt Landeswahlleiter Prill. Gar nicht wahr, findet Schmidt. „Mit dieser bürokratischen Vorschrift werden Bundestagswahl und Volksentscheid höchst anfällig für Anfechtungen“, so der GALier.
„Denn nicht die Briefumschläge machen den für das Endergebnis entscheidenen Willen der Wähler und Abstimmenden erkennbar, sondern das entsprechende Kreuzchen auf dem Wahl- oder Abstimmungszettel.“ Das gelte trotz Verordnung des Senats. Prill beruft indes sich auf das Bundeswahlgesetz und die Volksabstimmungsverordnung. Dort heiße es, die Stimme des Wählers sei nur im richtigen amtlichen Umschlag gültig. Punktum.
Schmidt beklagt darüber hinaus, daß die Wahlhelfer nicht fragen dürfen, ob ein Wähler für beides – Volksentscheid und Bundestagswahl – abstimmen will. Das sei etwa in dem Fall nötig, wo jemand mit nur einer der beiden Berechtigungskarten ins Wahllokal kommt. Nach Prillscher Lesart ist das unzulässig. Schmidt: „Da verwechselt Herr Prill etwas. Höflichkeit und Freundlichkeit sind keine Wahlbeeinflussung.“ Silke Mertins
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