: Unterschrift zum Atomteststopp bei Sanktionsende
■ Pakistans Premier Sharif stellt Beitritt zum Atomteststoppabkommen in Aussicht, nachdem mit Indien ein neuer Dialog vereinbart wurde. Bericht: Atompotentiale größer als vermutet
Berlin (taz) – Pakistan will innerhalb eines Jahres dem Atomteststoppabkommen beitreten, wenn die Sanktionen gegen das südasiatische Land aufgehoben werden. Das kündigte Premierminister Nawaz Sharif am Mittwoch in New York an. In seiner Rede vor der UN-Vollversammlung ließ Sharif die bisherige Forderung seiner Regierung fallen, Indien müsse zuerst dem Abkommen beitreten. Jetzt forderte er Delhi auf, dem Beispiel Islamabads zu folgen. Sollte Indien jedoch weitere Tests durchführen, behalte sich sein Land entsprechende Schritte vor.
Laut Sharif habe Pakistan mit seinen Atomtests im Juni nur aus Notwehr auf die indischen Versuche vom Mai reagiert. Die USA und andere Industrieländer und internationale Finanzinstitutionen hatten nach den weltweit verurteilten Atomtests gegen beide Staaten Sanktionen verhängt. Diese treffen das wirtschaftlich stark angeschlagene Pakistan jedoch wesentlich stärker als Indien.
UN-Generalsekretär Kofi Annan begrüßte die Ankündigung Sharifs. Auch ein Sprecher des Weißen Hauses äußerte sich positiv. Von indischer Seite lag gestern noch keine offizielle Reaktion vor. Indiens Premierminister Vajpayee sagte auf die Frage, ob er positiv auf einen pakistanischen Vorstoß reagieren werde, Delhi werde in der Frage des Teststoppabkommens „unabhängig entscheiden“. Vajpayee wollte noch gestern vor der UNO sprechen.
Nach Gesprächen mit US-Präsident Bill Clinton war Sharif kurz vor seiner Rede auch mit Vajpayee in New York für zwei Stunden zusammengetroffen. Die Regierungschefs vereinbarten eine Wiederaufnahme des seit über einem Jahr unterbrochenen Dialogs zwischen den beiden verfeindeten Staaten, die Einrichtung einer direkten Telefonverbindung zwischen den Ministerpräsidenten und den Bau weiterer Grenzübergänge und Verkehrsverbindungen. Vajpayee sprach nach dem Treffen vom Beginn einer neuen Ära in den Beziehungen. Das erste Treffen auf Außenministerebene soll bereits im Oktober stattfinden. Dabei soll es auch um den Streit um Kaschmir gehen. Indien und Pakistan haben um die geteilte Region bereits zweimal Krieg geführt.
Nach einem Bericht der Zeitschrift Jane's Intelligence Review ist das Atomwaffenpotential der beiden Staaten viel größer als bisher angenommen, weil nach Informationen des Kanadischen Atomverbands die jeweiligen Atomkraftwerke mehr Plutonium produzieren. Demnach könne Delhi 455 und Islamabad 105 Atombomben bauen. Bisher wurde für Indien von bis zu 65 und für Pakistan von bis zu 25 Atomsprengköpfen ausgegangen. Laut Bericht könnte in zehn Jahren Indiens Potential 800 und Pakistans 200 Atombomben betragen. Sven Hansen
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