Bahn AG gerät ins Schwimmen

Vorstandsvorlage enthüllt: Das Unternehmen kann sich die tollen neuen Neigeschnellzüge ICT nicht leisten. Bahn dementiert: Das Papier sei fehlerhaft, die Züge bestellt  ■ Von Beate Willms

Berlin (taz) – Mit einem dünneren Streckennetz und teureren Tickets, dafür aber schneller und moderner – so präsentiert die Deutsche Bahn ihr Zukunftskonzept. Hochgeschwindigkeitszüge mit Neigetechnik sollten den Fernverkehr attraktiver machen. Die Idee könnte jedoch schon bald neuen Kürzungen zum Opfer fallen. Womöglich kann sich das Unternehmen die bis zum Jahr 2000 eingeplanten Neigetechnikzüge des Typs ICT überhaupt nicht leisten. Das geht aus einem der taz vorliegenden internen Vorstandspapier hervor, das auf der letzten Sitzung der Unternehmensleitung am vergangenen Montag diskutiert werden sollte.

Laut dieser Vorlage, die den „Sachstand Vorstandsentscheidungen“ wiedergeben soll, ist wegen der „nicht gesicherten Finanzierung“ eine „termingerechte Realisierung aller NeiTech-Maßnahmen (...) nicht mehr möglich“. Statt auf insgesamt 14 ursprünglich vorgesehenen Linien sollen die neuen Züge bis zum Jahr 2000 nur auf fünf Strecken eingesetzt werden, die Fahrzeuge für acht weitere sind „nicht bestätigt“, „noch nicht bestellt“ oder „noch nicht gesichert“ – und die Bestückung der Verbindung Hamburg–Puttgarden ist dem Papier zufolge bereits abbestellt. In Vorstandskreisen ist von einer „Notbremse“ die Rede.

Die Bahn AG dementierte gestern auf Nachfrage die Meldung. Fernverkehrs-Sprecher Martin Katz erklärte zunächst, die Vorlage „gebe es nicht“, bevor er zugestand, sie sei bei der Vorstandssitzung verteilt, aber dann wieder zurückgezogen worden, „weil sie Fehler enthielt, die erst bereinigt werden müssen“. Alle vorgesehenen 63 Neigetechnikzüge seien bestellt und würden „bereits gebaut“. Entsprechend aufgeschreckt reagierte die Deutsche Waggonbau AG, die den ICT baut, gestern auf das Vorstandspapier. „Davon wissen wir ja gar nichts“, hieß es zunächst. Eine weitere Stellungnahme war nicht zu erhalten.

Die verkehrspolitischen Sprecher von Bündnis 90/Grüne und PDS hielten die Stornierungen für möglich und die Abwehr der Bahn AG für den Versuch einer Verzögerung. „Die Größenordnung der Finanzprobleme soll bis nach der Wahl zurückgehalten werden“, mutmaßte Albrecht Schmidt (Grüne). So würden die neuen Züge noch bejubelt, während einige Verbesserungen intern schon wieder gekippt würden. „Die Umsatzrückgänge der Bahn sind so dramatisch“, stimmte Winfried Wolf (PDS) zu, „daß die neue Technik einfach nicht zu bezahlen ist.“ Schließlich sei der Fernverkehr seit Jahren rückläufig, auch wenn die Bahn das „durch Umdefinierungen der Bereiche“ bislang verschleiere.