Fit fürs Netz

■ An den meisten Schulen spielt der Computer noch keine große Rolle. Das Berliner Projekt Computer in die Schulen (Cids) will dies ändern

„Wie, das gibt es alles im Internet?“ Doch etwas irritiert guckt die Englischlehrerin in die grinsenden Gesichter ihrer Schüler. Als Hausaufgabe für den nächsten Tag mußte die Klasse möglichst viele Fakten über Irland sammeln. „Ein Klacks, darüber steht jede Menge im Netz“, meinten die Schüler und schleppten stapelweise informative Computerausdrucke in die Schule. Das machte Eindruck. „Jetzt reicht's“, sagte sich die Englischlehrerin, „ich brauche auch einen PC.“

Die Englischlehrerin ist keine Ausnahme an der Bröndy-Oberschule in Berlin-Steglitz. Mit Computern beschäftigen sich meist nur die Informatiklehrer. Dabei ist die Schule exzellent ausgestattet: Drei Computerräume mit jeweils acht modernen Rechnern. Informatiklehrer Nikolai Neufert ist Fachbereichsleiter für Informationstechnologie. „Er redet zwar ein bißchen viel“, meint Sonja aus der 10. Klasse, aber im übrigen ist sie mit ihrem Computerlehrer äußerst zufrieden. Nach zwei Jahren Informatik ist die Fünfzehnjährige fit in Sachen Computer. Sie kennt sich mit dem Binärsystem, dem Dezimalsystem und mit der Computersprache Pascal bestens aus.

In der Bröndy-Oberschule werden schon die Jüngsten an den Computer gesetzt. Die Kreationen in den Kochkursen zum Beispiel hacken sie als Rezepte in den Rechner, stellen sogar eingescannte Fotos von den Gerichten daneben. Mitschüler aus der Oberstufe bereiten dieses Rohmaterial zu vierfarbigen Präsentationen auf, die Internet-Gruppe stellt die Ergebnisse ins Netz. „Einer hat mir ganz stolz erzählt, daß er sein Werk mit einer Wave-Datei unterlegt hat“, erzählt Neufert, „von so etwas hatte ich vorher noch nie gehört.“ Sonja schon. „Das ist eine Sound-Datei“, ruft sie. Manchmal sind die Kids da fitter als ihr Lehrer.

Von seinen Schülern überrascht wurde auch Neuferts Informatikkollege Peter Hassert, der im Nebenraum mit einer Oberstufengruppe gerade Schiffeversenken programmiert. „Das hört sich einfach an“, meint der 18jährige Stefan, „aber es ist das erste Mal, daß wir als Team ein Projekt verwirklichen.“ Von Hasserts sieben Schützlingen hängt nur eine noch nicht am Netz, die Evelyn. „Aber bald!“ versichert sie.

Denn das Internet wird für Schüler immer attraktiver. Unter http://www.referate.de zum Beispiel lassen sich zu jedem Thema ausformulierte Aufsätze abrufen. „Ideal zum Austeilen“ steht da hinter dem Exposé für ein vierseitiges Biologie-Paper. „Da wird sich die Lehrerschaft in Zukunft raffiniertere Aufgabenstellungen ausdenken müssen“, resümiert Hassert. Und vertieft sich mit seinen Schülern wieder in das strategische Regelsystem von Schiffeversenken.

Als Unterrichtshilfe steckt der Einsatz von Computern auch auf Bröndby allerdings noch in den Kinderschuhen. Immerhin hat unter der Anleitung eines computerbegeisterten Kunstlehrers ein Leistungskurs vor einiger Zeit ein halbes Jahr lang Webseiten kreiert. Und gerade sitzen zwei Englischlehrerinnen in Neuferts Büro, die an ihrem Konzept für ein E-Mail-Projekt arbeiten. Die Schüler sollen sich mit einer englischen Partnergruppe auf elektronischem Weg austauschen.

Damit solche Ansätze Schule machen, hat Jugendsenatorin Ingrid Stahmer das Projekt Computer in die Schulen (Cids) ins Leben gerufen. 30 Millionen Mark stehen Cids zur Verfügung. Informatiklehrer Neufert, der sich in der Berliner Beratungsstelle für informationstechnische Bildung und Computereinsatz in Schulen engagiert, ist der pädagogische Leiter von Cids. Unter dem Motto „Und tschüs!“ werden knapp 2.000 Altrechner bis Ende des Jahres durch moderne Multimedia-Computer ersetzt. Ein Kreuzberger ABM- Träger rüstet für die Schulen PCs auf, die Berliner Firmen gespendet haben. Bis Jahresende sollen 500 Schulen ans Internet angeschlossen werden. Schließlich unterstützt Cids mit Hardware und Know- how 110 Schulprojekte. Lehrer, die bei Cids mitmischen wollen, müssen eine Computerschulung machen. In den letzten drei Ferienwochen nahmen bereits 40 Lehrer an einem Grundkurs teil, freiwillig.

Cids bringt die Computer damit nicht nur an die Schulen, sondern nötigt die Lehrer gleichzeitig, sich mit der modernen Technologie auseinanderzusetzen. Trotzdem kennen sich die Kids meist besser damit aus. Als die Englischlehrerin der Bröndby-Schule endlich ihren eigenen Computer zu Hause hatte, waren es ihre Schüler, die ihn aufstellten und die Programme installierten. Andreas Leipelt

Schwarzes Brett