■ Nachschlag
: Stadtguerilla u.a.: „Kulturschock“ in der Pankower Literaturwerkstatt

Großes Interesse an der Figur des Partisanen schien nicht zu herrschen – zumindest nicht an einem sonnigen Herbstnachmittag, gut vierundzwanzig Stunden bevor erste Hochrechnungen mit Bundestagswahlergebnissen bekannt werden. Nur wenige fanden am Samstag den Weg in die Pankower Literaturwerkstatt, wo es im Rahmen der „Kulturschock“-Reihe um Straßenkampf und Stadtguerilla ging. Es war der vierte Termin des von Martin Burckhardt initiierten Kolloquiums, das der Rede vom „clash of civilizations“ mit der These begegnet, daß die „clashs“, die Konfrontationen unserer Tage entlang ganz anderer Linien verlaufen als den religiös-kulturellen.

Dabei biete sich das Thema Straßenkampf natürlich an, um über gewaltgeladene Zusammenstöße zu sprechen, hob Burckhardt gleich zum Auftakt hervor. Tatsächlich übertrug sich – zumindest für Momente – das Konfrontative des Sujets auf die Diskussion selbst. Das ergab sich bereits aus der Zusammensetzung der Teilnehmer: Mit dem Literaturwissenschaftler Manfred Schneider, dem Politikwissenschaftler Herfried Münkler und dem Ex-RAF-Mitglied Horst Mahler trafen unterschiedliche Generationen und unterschiedliche theoretische Hintergründe aufeinander. Während Schneider sich pointenreich, doch ohne Lösungsvorschlag auf kulturwissenschaftlichem Terrain tummelte, stellte Mahler die Frage nach der Wahrheit und konstatierte angesichts des „Potpourris der Theorien“ seine eigene „Sprachlosigkeit“. Hier der Beobachter, dort der Beteiligte – eine Positionsverteilung, so Münkler, die ihrerseits abhängig von gesellschaftlichen Verhältnissen sei.

Schneider stellte die These auf, daß ein Attentäter nur scheinbar sinnlos handle. Tatsächlich gebe es für die Gewalttätigkeit zwei Motive: zum einen den Vatermord, zum anderen den Bildersturm. Statt auf die Beseitigung der Macht selbst ziele der Attentäter auf die Beseitigung der Bilder und Embleme der Macht – und zugleich auf deren Überbietung. Münkler indessen ging es konkreter um Ideologie und Strategie der RAF, wozu er zunächst den Begriffen Straßenkampf, Partisan und Terrorist nachspürte, bevor sein Vortrag in die Frage mündete, wie sich die Zwänge der Strategie auf das Binnenklima innerhalb der Gruppe ausgewirkt hätten. Das unausweichliche Scheitern, das Münkler dem bewaffneten Kampf konstatierte, wurde von Horst Mahler unterstrichen. In der RAF seien Mechanismen etwa der einer permanenten Verdächtigung am Werk gewesen, durch die eine emanzipatorische Politik – ob nun nach innen oder nach außen – unmöglich geworden sei.

Leider wurden die drei Vorträge im Anschluß nicht für sich, sondern gemeinsam diskutiert. Rasch ging es ums große Ganze, um den Glauben in Anlehnung an Kant, den Gang der Geschichte in Anlehnung an Hegel oder auch die GmbH als metaphysischen Raum. Die Figur des Partisanen in ihrem Schillern und Scheitern, ihrer Selbstüberschätzung und ihrem Sex-Appeal kam dabei zu kurz. Cristina Nord