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Gewaltsamer Tod in Handschellen

■ In El Salvador machen mutmaßlich von der Polizei organisierte „Vernichtungskommandos“ Jagd auf Mitglieder von Jugendgangs

Der Rio Acelhuate ist die Kloake San Salvadors. Zwei Tonnen Exkremente werden täglich in den Fluß gekippt. Dazu kommt Abfall aller Art – und ab und zu eine Leiche. In Santa Anita, dem Armenviertel der Hauptstadt El Salvadors, wurde neulich der Körper von Carlos Ernesto Lobos ans Ufer gespült. Sein Zustand ließ darauf schließen, daß er schon ein paar Tage im Wasser gelegen hatte. Und: Der Körper hatte Folterspuren, seine Arme waren auf den Rücken gefesselt – mit Polizeihandschellen.

Lobos war in Santa Anita als kleiner Gauner bekannt. Ein paar Tage bevor seine Leiche auftauchte, war er von der Polizei festgenommen worden. In den Polizeiakten steht, er sei beim Versuch, sich der Festnahme zu entziehen, geflohen. Aber der stellvertretende Polizeidirektor Renzo Martinez gibt zu, daß es „da wohl irgendeine Schlamperei beim Transport des Gefangenen gegeben hat“.

Jugendliche Ganoven organisieren sich in El Salvador nach dem Vorbild US-amerikanischer Straßengangs in sogenannten Maras. Gebietskämpfe zwischen den Maras werden gemeinhin mit Pistolen und Handgranaten ausgefochten. Jede Woche gibt es ein paar Tote. Und Maras haben noch einen anderen Feind: Todesschwadrone, die neuerdings in El Salvador auch „Vernichtungskommandos“ genannt werden. Vieles deutet darauf hin, daß diese Kommandos von der Polizei organisiert werden.

Am besten ist dies in der Provinzstadt San Miguel im Osten des Landes belegt. Dort operierte zwei Jahre lang die Todesschwadron „Der Schwarze Schatten“ (La Sombra Negra). Die Killer schlugen immer nach demselben Muster zu: Sie kamen nach Einbruch der Dunkelheit im weißen Pick-up mit abgedunkelten Scheiben und ohne Nummernschild. Vier Männer in schwarzer Kleidung und mit Kapuzen sprangen von der Ladefläche und knallten die Opfer einfach ab. Bei den Leichen ließen die Männer einen Zettel zurück: „So handelt der Schwarze Schatten“.

Das Todeskommando hatte mächtige Freunde: Mario Bettaglio, der Gouverneur der Provinz San Miguel, sagte ganz unverblümt, der „Schwarze Schatten“ sei für die Bevölkerung „eine Art Robin Hood“. Wie eng die Verstrickungen mit dem Staat tatsächlich waren, wurde aber erst klar, als die Polizistin Mabel Quintanilla auspackte. Kollegen, sagte sie, hätten sie für die Todesschwadron anwerben wollen. Geschäftsmänner aus San Miguel würden das Unternehmen finanzieren.

Tatsächlich wurde ein rundes Dutzend Verdächtige verhaftet. Knapp die Hälfte von ihnen waren Polizisten. Doch ein Jahr später waren alle wieder auf freiem Fuß – „aus Mangel an Beweisen“. Die Kronzeugin hatte sich auf Anraten ihres Anwalts längst ins Ausland abgesetzt. Sie war mehrfach mit dem Tod bedroht worden. Polizeidirektor Rodrigo Avila hatte ihr höchst persönlich nahegelegt, aus El Salvador zu verschwinden.

„La Sombra Negra“ ist nicht die einzige Todesschwadron, die Jagd auf Mitglieder der Maras macht. Mindestens vier weitere Vernichtungskommandos sind mit Namen bekannt. Aber Polizeichef Avila spielt den Ahnungslosen. Vernichtungskommandos? „So etwas gibt es nicht.“ Und woher kommen dann die vielen Leichen? „Da rächt sich eine kriminelle Bande an der anderen.“ So einfach ist das. Toni Keppeler, San Salvador

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