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Leichenfund beim Wasserabschlagen

■ Sinnlich und moralisch: das Hörspiel „Der verschwundene Kopf des Damasceno Monteiro“

„Und jetzt erzähl mir alles“, fordert Reporter Firmino von Manolo. Schnitt. Nur die Geräusche eines Mannes sind zu hören, der genüßlich sein Wasser abschlägt, das Schließen eines Reißverschlusses, überlagert vom Zirpen der Zykaden, Schritte, die vorsichtig durchs Gebüsch stapfen, suchen, stehenbleiben – dann plötzlich ohrenbetäubendes Summen eines Fliegenschwarms. Schnitt. So hört sich der Leichenfund im Hörspiel nach Antonio Tabucchis Der verschwundenen Kopf des Damasceno Monteiro an. Monteiro, der Tote im Gestrüpp, wurde gefoltert und enthauptet, weil er dem Heroinhandel der Guarda Nacional Republicana im Wege stand. Ein junger Sensationsjournalist wird nach Porto geschickt. Dank der Begegnung mit einem Anwalt, der fließend über das atomare Gleichgewicht und Friedrich Hölderlin räsonniert, lichtet Firmino den Schleier. Es kommt zum Prozeß, das Urteil fällt harmlos aus.

So harmlos wie im realen Portugal. Dem Roman Tabucchis, der jüngst den „Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur“ erhielt, liegt ein authentischer Fall zugrunde. Auch in der akustischen Umsetzung des Werks geht es um Folter, Korruption und Menschenwürde. Die raffinierte Inszenierung von Norbert Schaeffer, die mit Polizeifunkschnipseln, Fado-Musik und Straßengeräuschen eine realistische Atmosphäre schafft, setzt die literarische Vorlage ansprechend um. Unerwartet taucht nach einigen Monaten ein Augenzeuge auf, und der Prozeß wird neu aufgenommen. Der Anwalt rät Firmino noch, sich keine Illusionen zu machen. „Welchen Schluß würden Sie daraus ziehen?“ gibt der Reporter an seine Leser weiter. In der Ursendung des NDR kann der Hörer dem nachgehen.

Iris Drögekamp

1. Teil: morgen; 2. Teil: Mittwoch, 7. Oktober, 20.00 Uhr, NDR 3, 99,2 MHz.

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