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Autarker Größenwahn auuuuus Berlin

■ Der abgetauchte taz-Soundagent tauchte wieder auf und dokumentiert seine Plauderei mit Bela B. von „Die Ärzte“

Mit der aktuellen „Attacke Royal“-Tour gastierte „die beste Band der Welt“ am Samstag in der neuen Schlittschuhlaufhalle zu Walle. Hinter dem Lieferanteneingang der schlecht belüfteten Halle beginnt ein labyrinthartiges Gängesystem, perfekt zum Verlaufen für alle Beteiligten hinter der Bühne. Aber nachdem Soundagent Tommy Blank der Eingebung folgte, dem Essensgeruch nachzugehen, waren auch die Herren Ärzte irgendwo in den Gängen schnell gefunden. Bela B. hatte seine Nudeln schon aufgegessen und erwies sich als galanter Gastgeber, der weiß, was sich gehört und nicht weniger von anderen erwartet.

taz: Gebt ihr eigentlich Fernseh-Interviews?

Bela B.: Mal haben wir was zum Thema „Rechtsradikalismus“ gemacht. Das wurde dann nachts um 3 Uhr in der ARD gesendet. Eben so ein Themenabend; wir waren zwischen den üblichen Medienpartnern wie „Stöhrkraft“ und „Böhse Onkelz“ plaziert. Wir wollen keine normalen Talkpartner sein. Wir wollen uns anders darstellen. „Die Ärzte“ haben keinen Frontmann sondern drei gleichberechtigte Leute, die immer zu dritt da sein müssen. Aber wir waren als „Running Gag“ in der „Harald Schmidt-Show“. Wir wollten den Spieß umdrehen und Harald Schmidt reinlegen, aber dann hat uns jemand das Konzept geschickt: wir sollten alte Fernsehserien nachspielen. Nett. Die haben uns Texte geschickt, aber wir haben gesagt, nee, lernen wir nicht, wir lesen das von diesen „Negern“ ab. Wir hatten immer nur zwei Tage à zwei Stunden – dementsprechend ist es geworden. Für „Lassie“ und „Biene Maja“ mußten wir sogar zweimal drehen.

Weniger bekannt ist, daß ihr mit der „Bravo“ gebrochen habt und deren Machtmonopol direkt angreift. Auf eurer Website ( http://www.deutschrock.de ) wendet ihr euch direkt an die Fans und schaltet die Medien als Mittelsmänner aus ..... (Die „Bravo“ hat fiktive Fans zu Worte kommen lassen, die von Farin Urlaub angeblich verdroschen worden sind, und druckte Farins Privat-Adresse ab.)

Wir haben extrem viel Zugriff auf unsere Seiten. Das ist unsere Form der Gegenwehr. Viele unserer jüngeren Fans lesen die „Bravo“. Wir selbst haben uns früher dort über unsere Lieblingsmusik informiert. Die „Bravo“ hat eine Vormachtstellung wie die „Bild“. Wir finden seit diesem Streit dort nicht mehr statt, was irgendwie schade ist. Schließlich waren wir mit unserer ersten selbstbezahlten Single schon in der „Bravo“; die haben meine Tattoos zum Aufkleben rausgebracht. Nachdem unserer „Reunion“, wollten wir eine Titelgeschichte in der „Bravo“, aber der Chef meinte, „mir doch egal, ob ihr wieder zusammen seid“. Sechs Wochen später haben alle berichtet und natürlich kroch auch die „Bravo“ an. Wir haben gesagt, nee, der Chef soll uns selbst anrufen. Das ist so ein Machtspiel. Früher haben wir immer mit dem gleichen Fotografen gearbeitet. Der knipst diesen „Bravo“-Stil, der nicht gut ist, den aber sonst auch niemand kann. Der dazugehörige Journalist hatte einen IQ, der unter der Anzahl seiner Zähne lag.

Wie fiel Euch denn die Videospiel-Kultfigur Lara Croft zu?

Das war eine Mischung aus Größenwahn und unserem „Autarksein“. Wir haben unsere eigene Plattenfirma und machen was wir wollen. Wir wollten eine starke Frau der 90er, eine Pop-Ikone. Zunächst haben wir an Alice Schwarzer gedacht, aber das wäre nur für uns selbst als alte Intim-FeindInnen der Schwarzer lustig gewesen. Viel zu 80er ! Pamela Anderson fanden wir auch ziemlich out, obwohl wir uns schon sehr darum bemühen, mal bei „Baywatch“ mitzuspielen. Wartet's ab! Außerdem will ich Matt Groening überzeugen, daß wir bei den „Simpsons“ mitmachen können.

Dann hatte Rod die Idee mit Lara. Wir sofort in Hamburg bei der deutschen Firma angerufen und der Mann am Hörer war alter Ärzte-Fan. Die „Spice Girls“ hatten die Idee zuerst, aber nur wir waren cool genug, bekannt genug, kult genug. Der Mann, der die Rechte an Lara Croft hat, ist 69 Jahre alt und war entsetzt. Der Mann bei der deutschen Vertretung wurde gefeuert, aber wir haben ihm eine Goldenen Schallplatte verliehen.

Es gibt einen Ärzte-Comic, der ist von Frans Stummer und Georg Tempel.

Wir fühlten uns irgendwie geehrt. Allerdings: In meinem eigenen Comic–Verlag „Extrem Erfolgreich Enterprises“ würde ich das nicht rausbringen. Höchstens jeder zweite Witz ist ärztekompatibel. Die Sache mit dem Pferd als viertes Bandmitglied und daß sich meine Tatoos ändern, haben Stummer, Tempel und wir uns allerdings zusammen ausgedacht. Aber das ist mehr so Schenkelklopfhumor.

Gehen Ärzte zur Wahl?

Wenn Stefan Weidner von den aufrechten Onkelz im „Rock Hard“ sagt, daß er nicht wählt, weil die „Grünen“ ihn „verarscht“ haben und keine „aufrechte Partei mehr“ sind, muß man wählen gehen.

Fragen: Tommy Blank

Fragen: Tommy Blank

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