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Bremer FDP greift jetzt die CDU an

■ Liberale sehen Chancen im Trend zu Rot-Grün: Wenn die Große Koalition nicht hält, wählen unzufriedene Bürgerliche gelb

Die Bremer CDU darf sich in den acht Monaten bis zur Bürgerschaftswahl nicht nur auf einen selbstbewußteren Koalitionspartner SPD gefaßt machen. Auch die bürgerliche Konkurrenz von der FDP kündigt aus dem außerparlamentarischen Bremer Off Attacken an. Der FDP-Landesvorsitzende Peter Braun sagte gestern: „Die CDU ist unser Hauptgegner im Wahlkampf“. Die 5,94 Prozent, die Bremens Liberale bei der Bundestagswahl eingefahren haben, seien ein „ehrlicheres Ergebnis“ als vor vier Jahren. 1994 habe die FDP ihre 7,2 Prozent in Bremen durch eine Wahlkampfaussage für die Kohl-Koalition errungen, sagte Braun. „Diesmal haben viele FDP gewählt, wissend, daß die Koalition ihre Arbeit nicht fortsetzen kann.“ Die CDU habe besonders im bürgerlichen Wählerklientel der FDP in Oberneuland und Schwachhausen massiven Wahlkampf gegen die FDP gemacht. Aber: „Wir haben uns politisch behauptet.“

Braun und der gescheiterte Spitzenkandidat Claus Jäger, bis 1995 iin der Bremer Ampelkoalition Wirtschaftssenator, sehen den „Stimmungsumschwung Richtung Rot-Grün“ in Bremen als Chance für die FDP. Der politische Handlungsspielraum sei größer geworden, weil eine Große Koalition nicht mehr alternativlos sei. Wenn es sowieso nach Rot-Grün aussehe, seien auch viele enttäuschte CDU-Wähler aufgerufen, der FDP als Partei ihre Stimme zu geben und nicht bloß als „Koalitionssicherer“. Ob man der um ähnliche Wählerschichten werbenden Wählergemeinschaft AfB „kooperativ oder konfrontativ“ entgegentrete, müsse noch entschieden werden.

Nach Ansicht der Liberalen ist es durchaus möglich, daß die Union in Bremen stärker unter Druck gerät. „Was der CDU jetzt passiert, ist uns 1994 passiert“, vergleicht Ex-Senator Jäger. SPD und Grüne zusammen hätten bei der damaligen Bundestagswahl in Bremen eine deutliche Mehrheit errungen. Schlagartig habe sich dieser Erfolg auf das politische Verhalten in der SPD/Grüne/FDP-Koalition ausgewirkt. Wenig später zerbrach die Ampel. Die Wähler straften die FDP mit dem Sturz aus dem Parlament.

Im Bürgerschaftswahlkampf will die FDP besonders die CDU angreifen. Die Union habe ihre Regierungsbeteiligung doch vor allem dazu benutzt, eigene Leute unterzubringen, sagt Braun und nennt Europa-Staatsrat Günther Niederbremer und seine Abteilung im Wirtschaftsressort. Die herrschende Mentalität erinnere an Zeiten der SPD-Alleinregierung. Zur Modernisierung der Verwaltung fehlten Wille und Konzept. Die Personalbehörde SKP werde entgegen früherer Versprechen erhalten, weil dort ein CDU-Staatsrat sitze.

Die Große Koalition sei nur insoweit handlungsfähig, wie Tabus ausgespart blieben. Das gelte besonders für die Bildungspolitik: Hier müsse endlich die Orientierungsstufe abgeschafft und die Schulzeit auf 12 Jahre verkürzt werden. Verkehrspolitisch sei die Lage besonders in Sachen Linie 4 und Hollerlandtrasse blockiert. Auch sämtliche Diskussionen über eine Erweiterung des Technologieparks liefen „im luftleeren Raum“, weil das Hollerland immer noch bei der EU als Vogelschutzgebiet gemeldet sei, sagte Jäger.

Braun beklagte die Undurchsichtigkeit der Planungen etwa für den Büropark Oberneuland oder die alten Hafenreviere. Und beim Space-Park-Einkaufszentrum sei es nicht einsichtig, warum „mit staatlichen Mitteln in die Wettbewerbssituation im Bremer Einzelhandel eingegriffen“ werden soll.

Joachim Fahrun

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