piwik no script img

Wird PDSler Bundestagsvizepräsident?

Etliche Abgeordnete von CDU und CSU können einen PDS-Abgeordneten im Präsidium des Bundestages nicht ertragen. Daß die PDS bei der Vergabe der Posten ausgebootet wird, ist dennoch unwahrscheinlich  ■ Aus Bonn Severin Weiland

Mancher Abgeordnete der Unionsfraktion würde das Rad der Geschichte gerne zurückdrehen. Damals, am 10. November 1994, hatte man sich einen schönen taktischen Schachzug ausgedacht, um die SPD mächtig zu ärgern. Bei der Wahl der Vizepräsidenten des Bundestages wählten die Koalitionsabgeordneten die Grüne Antje Vollmer. Die Sozialdemokraten waren, verständlicherweise, verstimmt, hatten sie doch einen bislang von ihnen besetzten Stellvertreterposten im Präsidium verloren.

Um die Wahl Vollmers zu ermöglichen, hatte die Union zuvor, auf Drängen des Fraktionschefs Wolfgang Schäuble, in Paragraph 2 der Geschäftsordnung jenen Satz eingefügt, wonach „jede Fraktion“ des Bundestages „durch mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin im Präsidium vertreten ist“. Fast vier Jahre später erwächst der Union daraus nun ein Problem. Mancher Abgeordneter kann es nur schwer ertragen, daß die PDS künftig im Bundestagspräsidium vertreten sein wird.

Rechtlich ist die Sache schwierig: Die PDS hat zwar mit ihren 5,1 Prozent den ersehnten Fraktionstatus erreicht. Ihr stünde ein Vizeposten im Bundestagspräsidium zu. Im Gespräch ist die Berliner Direktkandidatin Christa Luft. Doch die Geschäftsordnung von 1994 steht mit der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestages zur Disposition. Ob es, wie manche Unionsabgeordnete hoffen, zu einer Änderung der alten Geschäftsordnung kommt, um die PDS auszugrenzen, ist aber eher unwahrscheinlich. Zumindest die Grünen hatten vor der Wahl erkennen lassen, selbst für den Fall, daß die PDS erneut nur den Gruppenstatus erreicht hätte, sich für eine Stärkung ihrer parlamentarischen Rechte einzusetzen. Derzeit, so hieß es gestern aus der Verwaltung der amtierenden Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), könne nur spekuliert werden: Verzichtet die SPD zugunsten der PDS auf den ihr zustehenden Vizeposten? Oder wird die Zahl der Vizes in einer neuen Geschäftsordnung um einen erweitert? Selbst in diesem Fall gäbe es ein Problem: Ein rot-grünes Regierungslager ist dann mit einem Präsidenten und zwei Vizes genauso stark wie die Opposition von CDU/CSU, FDP und PDS mit drei Vizepräsidenten. Möglich wäre aber, so heißt es, das Patt aufzulösen, indem man dem Bundestagspräsidenten das Entscheidungsrecht zugesteht. Die Union könnte sich also mit der Tatsache abfinden, daß ihr Vize – im Gespräch ist Amtsinhaberin Michaela Geiger (CSU) – künftig mit der PDS auf Augenhöhe sitzen wird.

Doch wer wird dem neuen Bundestag vorstehen? Dieses Recht fällt der stärksten Fraktion zu. Unklar ist aber, ob die SPD noch zu ihrem intern gehandelten Kandidaten Wolfgang Thierse steht. Schröder hatte am Dienstag den Namen Anke Fuchs ins Spiel gebracht und Thierse gedemütigt. Denn Fuchs hat ihren Wahlkreis Köln II direkt gewonnen, Thierse dagegen scheiterte als Direktkandidat zum zweiten Mal gegen die PDS in Ostberlin. Bei den Grünen scheint hingegen eine Wiederwahl von Antje Vollmer wahrscheinlich. Bliebe noch die neue Oppositionskraft FDP. Für ihren aus Altersgründen ausgeschiedenen Bundetagsvize Burkhard Hirsch hat sie sich noch auf keinen Nachfolger einigen können.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen