: Kondom im Kurort
■ Auf St. Pauli ruft am Wochenende eine Initiative eine Kurtaxe ins Leben, um „dem Kiez wieder auf die Beine zu helfen“
Er ist Attraktion, touristisches Aushängeschild und vielleicht der meist besuchte Stadtteil Deutschlands: St. Pauli und seine berühmt-berüchtigte Reeperbahn. Warum also nicht dort eine Kurtaxe erheben, damit die Bewohner von dem Geld, das die zahlreichen Gäste in dem Amüsierviertel lassen, profitieren?
Genau das dachten sich einige alteingesessene St. Paulianer und gründeten den gemeinnützigen Verein „Kurverwaltung St. Pauli“. An diesem Sonnabend, 3. Oktober, startet die ungewöhnliche Aktion um 12 Uhr mit einem „Kurprogramm“ – einer bunten Eröffnungsmatinee im „Schmidt Theater“ am Spielbudenplatz.
St. Pauli ist gelebter Widerspruch. „Die Reeperbahn glitzert und glänzt, während der Stadtteil selbst zu den sozial schwächsten Bezirken Hamburgs gehört“, meint einer der Vereinsgründer, Arne Gleiss. Durch das lebhafte Rotlichtviertel pilgern und flanieren jährlich bis zu 30 Millionen vergnügungssüchtige Besucher. Würde jeder Tourist nur eine Mark „Kursteuer“ zahlen, kämen innerhalb von fünf Jahren 150 Millionen Mark zusammen, rechnet Gleiss vor. Genug Geld, um damit St. Pauli etwas Gutes zu tun. Schließlich hinterließen die Touristen ihre „Spuren“ in Form von Müll, Verkehr und Streß, argumentiert das Vereinsmitglied.
Schon war die Idee einer wohltätigen Kurtaxe geboren, um „dem Kiez auf die Beine zu helfen“. Im Juni gründete sich eine „Kurverwaltung“ in Form des gemeinnützigen Vereins „Kurverwaltung St. Pauli“. Er organisiert die Kurtaxe und ist für die Vergabe der Abgaben zuständig. Das gesammelte Geld soll sozialen und kulturellen Projekten im Viertel zugute kommen. Schnell war auch ein passendes „Kurort“-Logo gefunden: Ein knallrotes Herz – Symbol für Liebe und „Geben und Nehmen“.
Das ganze sei natürlich freiwillig, betont Gleiss. Interessierte Besucher sollen zukünftig bei Verkäufern in roten Jacken und mit roten Mützen „Kurkarten“ für zehn Mark erwerben können. Dahinter verbirgt sich ein kleines Couponheft im Taschenformat, das in angeschlossenen „Kurbetrieben“ Vergünstigungen und Rabatte verspricht.
Zahlreiche Szenekneipen, In-Lokale, Bars und Veranstaltungsorte haben sich bisher beim Verein als „Kurbetrieb“ registrieren lassen. Beim sogenannten „Coupon-Saufen“ können so bis zu 30 Mark gespart werden. Sogar ein Sex-Shop ist dabei, bei dem ein Gratiskondom oder Rabatte für einschlägige Filmchen locken. Gutscheine von Bordellen seien hingegen nicht vorgesehen, teilt die Kurverwaltung mit.
„Die Idee ist der Versuch, mit einer privaten Initiative Geld für den Stadtteil zu bekommen“, heißt es bei dem Gründungsgremium. St. Pauli als legendäres Rotlichtviertel solle selbstverständlich erhalten bleiben. „Es geht nur darum, den Stadtteil für seine Bewohner lebens- und liebenswerter zu machen“, erklärt Gleiss.
„Als private Initiative eine gute Idee“, findet Jörg Hoenicke von der Hamburger Tourismus-Zentrale. Allerdings müsse den Besuchern klar gemacht werden, daß die Aktion für einen guten Zweck sei und nicht nur einfach eine neue „Pflichtabgabe“. Denn Zwangsabgaben schrecken bekanntlich eher ab. Sandra Jessel
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