: Haftanstalt ist weiter hilflos bei Übergriffen
■ Ein Sexualstraftäter wurde in den offenen Vollzug verlegt, weil die Anstalt ihn nicht vor Angriffen seiner Mitgefangenen schützen kann
In Bremer Gefängnissen ist es offenbar immer noch nicht möglich, Häftlinge vor Übergriffen zu bewahren. Ein Sexualstraftäter ist jetzt in den offenen Vollzug verlegt worden, weil die Justizvollzugsanstalt Oslebshausen sich offenbar außerstande sah, ihn vor Übergriffen seiner Mithäftlinge zu schützen. Das ergibt sich aus einem vertraulichen Schriftwechsel zwischen der JVA Oslebshausen und der Staatsanwaltschaft, der der taz vorliegt.
Im April durfte der Sexualstraftäter Alfred K. (Name von der Redaktion geändert) in den offenen Vollzug. „Nicht zuletzt ist er auch zur eigenen Sicherheit bereits im April 1998 in die offene Abteilung verlegt worden, weil er in der geschlossenen Abteilung von Mitinsassen wegen seiner Straftat bedrängt worden ist“, heißt es in einem Schreiben des Teilanstaltsleiters an die Staatsanwaltschaft. „Hier, im offenen Vollzug, ist es bisher zu solchen Vorfällen nicht gekommen.“
Die Übergriffe auf Sexualstraftäter in der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen hatten vor knapp zwei Jahren für Schlagzeilen gesorgt. In der Folgezeit beschäftigte sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß mit den Zuständen in Oslebshausen. Eine Beamtin, die Zellentüren von Sexualstraftätern aufgeschlossen hatte, damit andere Insassen die Häftlinge verprügeln konnten, ist inzwischen vom Amtsgericht zu einer Bewährungsstrafe von 13 Monaten verurteilt worden.
Während die Justizbehörde Hamburg 41 Haftplätze für Sexualstraftäter einrichtet, gibt es in Bremen solche Pläne nicht. Knapp 40 Sexualstraftäter sitzen derzeit in Oslebshausen ein. Sie stehen in der Häftlings-Rangliste an unterster Stelle. Daß sie wegen ihrer Taten von ihren Mitinsassen drangsaliert werden, ist seit langem bekannt.
Einer von diesen Häftlingen ist Alfred K. Seit Mai 1995 sitzt der 54jährige Mann in Oslebshausen. Er verbüßt eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in mehreren Fällen. Von Anfang an wurde Alfred K. eigenen Angaben zufolge von seinen Mithäftlingen bedroht. Mal hängten sie ihm einen Galgenstrick an seine Zellentür, dann klebte dort ein Zettel: „Wir kriegen Dich“. Außerdem sei er mehrfach verprügelt worden, behauptet K. Mehrfach bat der Häftling den Senator für Justiz in Briefen um Hilfe. Im April wurde er in den offenen Vollzug verlegt.
Das Ansinnen des Häftlings auf vorzeitige Entlassung wurde damals von der Anstalt abgelehnt. Alfred K. sei uneinsichtig. „Hinsichtlich seiner Straftat betont er jedoch weiterhin beständig, daß er unschuldig sei und somit zu Unrecht verurteilt worden ist“, schreibt die Anstalt der Staatsanwaltschaft.
Die Verlegung in die offene Anstalt sei ohnehin geplant gewesen, sagt Lisa Lutzebäck, Pressesprecherin der Justizbehörde. Zwei Psychologen hätten die Verlegung in den offenen Vollzug befürwortet, weil keine Rückfallgefahr bestünde. Daß die Bedrohung durch andere Häftlinge die Verlegung beschleunigt habe, räumt Lutzebäck ein. Der Häftling habe sich während des Verfahrens beim Teilanstaltsleiter darüber beschwert, daß er erpreßt werde. Der Teilanstaltsleiter habe „sofort reagiert“ und eine Strafanzeige erstattet. Gleichzeitig habe er die Behörde „telefonisch“ auf die Dringlichkeit der Verlegung hingewiesen, „weil diese Sache lief“, so Lutzebäck.
Die Staatsanwaltschaft hat das Strafverfahren wegen Erpressung übrigens inzwischen eingestellt. Alfred K. hatte angegeben, eine Überweisung von 500 Mark hätte bei der Erpressung eine Rolle gespielt. Die Überweisung hat es allerdings nachweislich nicht gegeben. Die Bedrohung sei nicht nachweisbar und vermutlich vorgeschoben, urteilte die Staatsanwaltschaft. Alfred K. ist inzwischen Freigänger. Kerstin Schneider
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