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Christoph Daum geht alles schief

Nach dem 2:2 gegen den 1. FC Kaiserslautern legt sich Leverkusens geschockter Trainer sogar mit seinem altkanzlerhaften Kollegen Otto Rehhagel an  ■ Aus Leverkusen Katrin Weber-Klüver

Je weiter die Woche voranschritt, desto schlechter wurde die Laune von Christoph Daum. Am Dienstag hatte sich der Trainer von Bayer Leverkusen noch gefreut, wie diszipliniert sein Team gegen Udinese die 2. Runde des Uefa- Cups erreicht hatte. Am Freitag mußte er den Schock verdauen, daß nun ein Gang „in die Hölle“ (Manager Reiner Calmund) zu den Glasgow Rangers ansteht.

Richtig seine Contenance verlor Daum aber erst am Sonnabend nachmittag. Der objektiv schwerwiegendste Aspekt war, daß Bayer sein Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern nicht gewonnen hatte. Nun muß sich der Trainer zwei Wochen lang eine Tabelle ansehen, in der der Abstand zum Münchner Duo auf den Champions-League-Plätzen auf vier Punkte gewachsen ist. Das ist eine unerfreuliche Situation für einen Trainer, der nahe daran ist, eine natürliche Zugehörigkeit zur europäischen Elite zu empfinden.

Noch gibt es einiges, was Bayer zur absoluten Spitze fehlt. Zum Beispiel ein adäquat besetzter Kader. Weil das Sturmduo Kirsten/ Meijer ausfiel, wurde neben Rink ein Auszubildender eingesetzt. Thomas Reichenberger zählt sich mit 23 Jahren noch zum förderungswürdigen Nachwuchs. Zielsetzung: „Ich will versuchen, hier langsam aufgebaut zu werden.“ Beim Debüt in der Anfangself schoß er den Pfosten an und Ze Roberto staubte zur Führung ab.

Die war unverdient und wurde durch Marschall und Hristow bald korrigiert. Das waren die guten Nachrichten aus der Pfalz. Die schlechte folgte umgehend. Die Liste der nicht spielfähigen Männer ist wieder um einen Namen länger geworden: Olaf Marschall erklärte unter anderem wegen einer Hackenprellung seinen Verzicht auf die Nationalmannschaftsreise.

Daum war nach dem Rückstand ungehalten, aber bedacht darauf, seinen Männern in der Kabine nur konstruktive Kritik an den Kopf zu werfen. Um- und besser eingestellt kehrte die Elf ins Spiel zurück. Das Publikum wachte auf, weil es prinzipiell Gefallen daran findet, rackernden Spielern zuzusehen, die Frequenz und Dynamik ihrer Angriffszüge steigern. Taktikdemonstrationen wirken in der BayArena wie eine Stockhausen-Komposition auf Menschen, die ein Scorpions-Konzert erwartet haben.

Planmäßig gelang Bayer durch Rink der Ausgleich. Dann verlor die Elf schlagartig den Faden, und zwar durch den Platzverweis gegen den Lauterer Pascal Ojigwe. Anders als vor Wochenfrist war dessen Einwechslung zwar regelgerecht abgelaufen, dauerte aber nur eine Viertelstunde. Ojigwes vermeintliches Opfer war Reichenberger. Der sah's sportsmännisch kollegial: „Er geht in den Ball, ich geh in den Ball – Gelb hätte auch gereicht.“ Nur Schiedsrichter Krug unterstellte Vorsatz. Von nun an war „Hektik“ (Daum) in der Partie und Lautern dem Sieg näher.

Das hätte Daum gerade noch gefehlt. Am Ende mußte er sich trotzdem ärgern, erst über Rehhagel, später wohl auch über sich selbst. Rehhagel hatte Daum mit Anmerkungen zum Platzverweis provoziert und den Echauffierten dann noch mit Erläuterungen zur Meinungsfreiheit in der Demokratie („die wird auch nach dem Wechsel der deutschen Führung bestehen“) düpiert. Der CDU und dem scheidenden Kanzler nahezustehen, bekennen beide Trainer. Rehhagel eint mit Kohl die unanfechtbare Gelassenheit älterer Herren, die auf beachtliche Karrieren zurückblicken. Daum ist davon meilenweit entfernt. Und eine rot- grüne Regierung wollte er vor kurzem noch zum Anlaß nehmen auszuwandern. Nun könnte er in seinem manischen Ehrgeiz den Regierungswechsel als Motivation begreifen: Gerhard Schröder wäre das perfekte Rollenmodell.

Lautern: Reinke – Ramzy – Samir, Koch – Reich (58. Ojigwe), Riedl, Sforza, Hristow, Wagner – Rösler, Marschall (70. Rische)

Zuschauer: 22.500; Rot: Ojigwe (73.) wg. Grobfoul, Tore: 1:0 Ze Roberto (8.), 1:1 Marschall (33.), 1:2 Hristow (41.), 2:2 Rink (65.)

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