piwik no script img

New Labour sucht Dritten Weg

Die britische Regierung muß den Rententopf auffüllen. Betriebsrenten und Kleinunternehmen haben ihre Bedeutung für die Alterssicherung verloren  ■ Aus London Ralf Sotscheck

Wie soll man die Alten ernähren? Diese Frage stellt sich nicht nur in Deutschland, wo in 20 Jahren zwei Beitragszahler einen Rentner finanzieren müssen. Auch die britische Labour-Regierung will das Rentensystem neu ordnen. Demnächst wird ein Weißbuch mit Gesetzesvorschlägen erscheinen, die New Labours „Drittem Weg“ von öffentlich-privater Partnerschaft Rechnung tragen sollen.

Es geht um viel Geld: Die Renten betragen mehr als zehn Prozent aller öffentlichen Ausgaben, und dabei sind die zusätzlichen Kosten für Gesundheitsfürsorge und Altenpflege noch gar nicht mitgerechnet. Das Sozialministerium veröffentlichte im Frühjahr Zahlen, nach denen 60 Prozent der Rentner heute besser dastehen als ihre Vorgänger vor 20 Jahren.

Doch die Schere zwischen Arm und Reich ist in diesem Zeitraum erheblich größer geworden. Die Grundrente für Alleinstehende liegt mit gut 200 Mark pro Woche noch unter dem Sozialhilfesatz. Bei zehn Millionen Rentnern müßte man auch bei einer minimalen Erhöhung tief in die Staatstasche greifen. Andererseits stellen die Rentner ein Viertel der Wahlberechtigten, so daß man sie bei Laune halten muß, will man wiedergewählt werden. Eine Überlegung der Regierung ist, eine erhöhte gesetzliche Mindestrente festzusetzen, sie aber auf Menschen über 75 Jahre zu beschränken. Die ältesten Rentner, so belegt die Statistik, sind gleichzeitig auch die ärmsten.

New Labour fragt sich, wie man mehr Geld in den Rententopf bekommt. Eine Möglichkeit, die in Erwägung gezogen wird, ist die Erhöhung der Beiträge für Selbständige. Bisher zahlen sie weniger in die Rentenversicherung als Angestellte, weil man annahm, daß sie Geld in ihre Unternehmen investieren müssen. Doch dank des „flexiblen Arbeitsmarktes“ – ein Labour-Schlagwort für Entlassungen – sind viele Selbständige heutzutage keine Kleinunternehmer mehr, sondern sie vermieten ihre Arbeitskraft mit befristeten Verträgen. Eine Anpassung ihrer Beitragszahlungen an die der Angestellten, wie es das Sozialministerium gerne möchte, würde jedoch wie eine Steuererhöhung aussehen, befürchtet Schatzkanzler Gordon Brown.

Der „flexible Arbeitsmarkt“ hat auch dafür gesorgt, daß Betriebsrenten kaum noch praktikabel sind: Wenn ein Arbeitnehmer im Durchschnitt im Laufe seines Lebens fünfmal den Arbeitgeber wechselt, verliert er jedesmal einen Teil der Rentenansprüche.

Eine andere Idee, die bei Labour derzeit die Runde macht, ist eine Bürgerrente für Leute, die aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind, um Kinder großzuziehen. Profitieren würden von solch einer Bürgerrente vor allem verheiratete Paare, die ohnehin ganz oben auf der Rentenskala stehen, und alleinerziehende Mütter, die Premierminister Tony Blair aber eigentlich nicht für besonders förderungswürdig hält.

Fest steht, daß ein höherer Prozentsatz an Frauen, Behinderten und schlecht bezahlten Teilzeitarbeitern im Alter auf staatliche Unterstützung angewiesen ist. Das Sozialministerium untersucht jedoch, ob es vorteilhafter sein könnte, diese Gruppen finanziell zu unterstützen, solange sie noch im arbeitsfähigen Alter sind, damit sie sich einen privaten Rentenanspruch aufbauen können.

Den privaten Rentenmarkt will Labour neu ordnen, damit er transparenter wird und mehr Sicherheit bietet. In den vergangenen Jahren hatte es eine ganze Reihe von Skandalen gegeben. So hatte zum Beispiel der Zeitungsverleger Robert Maxwell, der später im Mittelmeer ertrunken ist, die Pensionskasse geplündert, um seinem maroden Unternehmen über den Winter zu helfen. Die privaten Rentenversicherer warten mißtrauisch auf das „Weißbuch“. In seinem ersten Haushaltsplan im vorigen Jahr hat Gordon Brown vier Milliarden Pfund eingespart, indem er die Steuerermäßigungen auf Pensionsbeiträge absenkte. Und er hat keineswegs ausgeschlossen, daß er die Steuervorteile noch weiter beschneiden könnte. In Anbetracht der größer werdenden Schere wäre eine solche Umverteilung durchaus sinnvoll. Aber wird sein Chef da mitspielen? Die Verlierer wären dann WählerInnen mit mittlerem Einkommen, die von Tony Blair so heftig umworben werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen